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Zoologie

U-Boot-Überwachungssystem belauscht Wale

Meeressäuger folgen akustischen Landmarken

Wal im Eismeer © Cornell University

Wie schaffen es die Wale im Nordatlantik auf ihren Wanderungen so koordiniert und gerichtet zu ziehen? Wie kommunizieren sie über tausende von Kilometern hinweg? Dieser Frage sind Wissenschaftler neun Jahre lang mithilfe des U-Bootabwehrsystems der amerikanischen Marine nachgegangen. Sie fanden heraus, dass Wale offenbar eine Art akustisches Gedächtnis für geographische Strukturen besitzen, mit dessen Hilfe sie navigieren.

Christopher Clark von der Cornell Universität und seine Kollegen, die Akustikexperten Chuck Gagnon und Paula Loveday von der US Marine nutzten die hochempfindlichen Mikrophone des amerikanischen Sound Surveillance System (SOSUS), um die Gesänge und Wanderungsbewegungen von Blau-, Finn-, Buckel- und Minkewalen im Nordatlantik zu verfolgen. Mithilfe von SOSUS kann der Forscher einen Cursor auf einem Bildschirm bewegen und dabei gezielt in verschiedene Bereiche des Nordatlantik hineinhören – ohne vor Ort sein zu müssen. Dadurch können Ort und Zeit jedes Walgesangs genau kartiert werden.

Kommunikation im Ozeanmaßstab

Die resultierenden akustischen Karten zeigten, dass die Wale auch in großer Entfernung voneinander ihre Gesänge koordinieren. „Es gibt einen Zeitverzögerung im Wasser und deshalb sind die Antwortzeiten ihrer Kommunikation nicht die selben wie unsere“, erklärt Clark. „Plötzlich müssen wir erkennen, dass ihr Verhalten nicht nach unseren Zeitmaßstäben definiert ist, sondern nach den ihren – in Ozeanmaßstäben.“

„Wir wissen sehr wenig über die Kommunikation von Walen. Deshalb suchen wir nach Mustern der Assoziation und Koordination. Das Problem ist, dass die Wale so weit auseinander sind“, erklärt Clark. Doch mithilfe des SOSUS Systems und der tausenden von akustischen Spuren der unterschiedlichen Arten konnten die Forscher zumindest einige der offenen Fragen klären. „Wir können nun ermitteln, wo sie sind und wie lange sie singen. Und wir haben Beweise dafür, dass sie tatsächlich über tausende von Kilometern Ozean miteinander kommunizieren. Singen ist Teil ihres sozialen Systems und ihrer Gemeinschaft“, so Clark. „Wenn ich ein Wal vor Neufundland bin, kann ich einen Wal vor den Bermudas hören.“

Slalom entlang akustischer Landmarken

Unter den noch offenen Fragen ist auch die Motivation für die großräumigen Bewegungen der Wale. Bei der Beobachtung von singenden Finnwalen, deren Männchen sehr repetitive und hierarchisch gegliederte Gesänge aufweisen, zeigten sich auf dem Bildschirm des SOSUS eine zufällige Sammlung von Punkten, die sich scheinbar koordiniert durch den Ozean bewegte. „Das ist keine Wanderung. Aber was beeinflusst dann ihre Bewegung und Verteilung?“, fragt Clark. „Meeresstrukturen in Verbindung mit Ressourcen? Wenn ja, welche Strukturen sind es?“

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„Wale zielen oft direkt auf einen unterseeischen Berg der vielleicht 450 Kilometer entfernt ist. Haben sie ihn erreicht, wechseln sie ihren Kurs und steuern eine neue Struktur an“, erklärt der Forscher. „Es ist als ob sie sich im Slalom von einer geographischen Struktur zur nächsten bewegen. Sie müssen ein akustisches Gedächtnis analog zu unserem visuellen Gedächtnis besitzen.“

Lärmverschmutzung unter Wasser

Doch Clark stellte in seinen „Lauschangriffen“ ebenfalls die zunehmende akustische Verschmutzung des Meeres fest. Schiffsverkehr, Öl- und Gasförderung und Militär sorgen dafür, dass der Lärm unter Wasser sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt verdoppelt – mit fatalen Folgen für die Meeressäuger.

„Viele Wale haben sehr traditionelle Weidegründe und ihre Wanderrouten verlaufen entlang von flachen Küstengewässern, die heute zu den lautesten, am stärksten von Menschen beeinflussten Habitaten gehören“, erklärt Clark. Doch genau entlang dieser Routen schicken auch männliche Wale ihre Werbegesänge zu den Weibchen. Durch den akustischen „Smog“ können diese die Botschaften teilweise jedoch gar nicht mehr empfangen. „Wenn die Weibchen die singenden Männchen nicht mehr hören, verlieren sie Paarungsmöglichkeiten und Chancen. Das Meeresgebiet, über das ein Wal heute hören und kommunizieren kann, ist auf einen winzigen Bruchteil seiner ursprünglichen Größe zusammengeschrumpft.“

(Cornell University, 21.02.2005 – NPO)

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