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Biologie

Mitochondrien starten „Todesprogramm“

Zellkraftwerke als Auslöser des programmierten Zelltods entlarvt

Dieser Wurm musste schon viele seiner Geheimnisse preisgeben: Caenorhabditis elegans ist ein nur etwa einen Millimeter langer, unscheinbarer Fadenwurm, gehört aber zu den beliebtesten Untersuchungsobjekten von Genetikern und Molekularbiologen. So konnte mit seiner Hilfe eine ganze Reihe grundlegender biologischer Prozesse entschlüsselt werden, darunter jetzt auch ein wichtiger Auslöser des programmierten Zelltods, der Apoptose.

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Dass Mitochondrien, die „Kraftwerke“ der Zelle, auch im Wurm Caenorhabditis elegans eine entscheidende Rolle für den programmierten Zelltod spielen, darüber berichten jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „nature“ die Genetikerin Barbara Conradt von der amerikanischen Dartmouth Medical School und der Bayreuther Zellbiologe Benedikt Westermann.

Lebensnotwendiges Todesprogramm

Unsere Körperzellen besitzen ein eingebautes Programm, durch dessen Aktivierung sie sich selbst töten können. Dieser Prozess wird als programmierter Zelltod oder Apoptose bezeichnet. Die Apoptose spielt eine wichtige Rolle zum Beispiel in der Embryonalentwicklung, wenn sich nicht mehr benötigte Gewebe zurückbilden, und bei der Entwicklung des Nervensystems, wenn die Zahl der Nervenzellen an die Zahl der Zielzellen angepasst wird. Im Immunsystem hat die Apoptose wichtige Funktionen als Schutzmechanismus gegen Autoimmunität und bei der Eliminierung Virus-infizierter und entarteter Zellen.

Die grundlegenden Mechanismen der zellulären Selbsttötungsmaschinerie sind in allen kernhaltigen Zellen sehr ähnlich – so lassen sich wichtige Elemente sogar in der einzelligen Bäckerhefe wieder finden. Ein besonders gut geeigneter Modellorganismus für das Studium der Apoptose ist der kleine bodenbewohnende Fadenwurm Caenorhabditis elegans.

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Jedes ausgewachsene Tier hat exakt 959 Zellen. Während der Embryonalentwicklung werden aber 1090 Zellen gebildet, von denen 131 Zellen durch programmierten Zelltod wieder verschwinden. Da das Schicksal einer jeden Zelle, die von der Entwicklung der Eizelle bis zum erwachsenen Tier gebildet wird, genau bekannt ist, lässt sich der Zelltod im Wurm besonders gut erforschen. So ging der Nobelpreis für Medizin im Jahre 2002 an Sydney Brenner, Robert Horvitz und John Sulston für ihre grundlegenden Arbeiten zur genetischen Regulation der Organentwicklung und des programmierten Zelltods in Caenorhabditis elegans.

Kraftwerke der Zelle als Signalgeber

Mitochondrien sind von Membranen umgebene Organellen, die normalerweise die Energie produzieren, die wir zum Leben brauchen – sie sind die „Kraftwerke“ der Zelle. Seit einigen Jahren weiß man, dass Mitochondrien in Säugetierzellen auch den Prozess der Apoptose koordinieren. Auf bestimmte Signale hin zerfällt das mitochondriale Netzwerk der Zelle in kleine Fragmente. Daraufhin lassen die Mitochondrien Faktoren frei, die die Zelltötungsmaschinerie im Zellplasma aktivieren. Bisher war man der Ansicht, dass diese Funktion der Mitochondrien eine recht neue Zugabe zum Apoptoseweg ist, die erst relativ spät in der Evolution hoch entwickelter Organismen erfolgt ist.

In Nature berichten nun die Conradt und Westermann, dass die Mitochondrien auch im Wurm Caenorhabditis elegans eine entscheidende Rolle für den programmierten Zelltod spielen. Wenn die Teilung der Mitochondrien blockiert wird, wird die Apoptose gehemmt; wenn dagegen die Teilung der Mitochondrien künstlich induziert wird, ist massenhafter Zelltod zu beobachten.

Dadurch wird deutlich, dass die Mitochondrien eine zentrale und evolutionär sehr alte Funktion in der Apoptose ausüben. Sie sind offenbar ein integraler Bestandteil der Zelltodmaschinerie, im Wurm ebenso wie im Menschen. Mitochondrien spielen in gewissem Sinn die Rolle des Dr. Jekyll und Mr. Hyde – einerseits produzieren sie die Energie, die die Zelle zum Leben braucht, und andererseits sind sie die Schaltzentrale, die die zelluläre Selbsttötungsmaschinerie aktiviert.

(Universität Bayreuth, 18.02.2005 – NPO)

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