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Klima

Geo-Engineering: Realistisch umsetzbar?

Sonnenschutz für die Erde könnte bezahlbarer sein als gedacht

Die Freisetzung von Aerosolen in der hohen Atmosphäre könnte die Sonneneinstrahlung mindern - aber was wäre der Preis? © pvhaas7/iStock.com

Tatsächlich machbar: Die künstliche Abschirmung von Sonnenlicht mithilfe von Aerosolen wäre technisch umsetzbar – und finanzierbar. Zu diesem Schluss kommen nun Forscher, die diesen vielfach diskutierten Ansatz einem Machbarkeits-Check unterzogen haben. Demnach müssten für ein effektives, globales Geo-Engineering-Programm zwar neue Flugzeuge entwickelt werden. Sowohl die Entwicklungs- als auch die späteren laufenden Kosten wären jedoch überraschend niedrig und könnten von vielen Ländern bezahlt werden, wie das Team berichtet.

Climate- oder Geo-Engineering gilt als Plan B im Klimaschutz: Wenn wir es schon nicht schaffen, unsere Emissionen zu senken und die Erderwärmung dadurch zu stoppen, dann sollen eben großtechnische Eingriffe in das Klimasystem dafür sorgen. Diskutiert wird in diesem Zusammenhang beispielsweise eine Eisendüngung der Meere, die Speicherung von CO2 im Untergrund oder die Verringerung der Sonneneinstrahlung.

Letzteres wäre beispielsweise realisierbar, indem man reflektierende Schwebeteilchen wie Sulfatpartikel in die Atmosphäre bläst. Diese können die Erde von einem Teil des Sonnenlichts abschirmen und ein Absinken der Temperaturen hervorrufen –ein ähnliches Phänomen lässt sich nach großen Vulkanausbrüchen beobachten.

Machbarkeit im Fokus

Abgesehen von den möglichen Nebenwirkungen eines solchen Eingriffs stellt sich allerdings auch die Frage nach der praktischen Machbarkeit: Wie ließe sich die Abschirmung des Sonnenlichts technisch umsetzen und was würde dies kosten? Genau das haben nun Wake Smith von der Yale University in New Haven und sein Kollege Gernot Wagner von der Harvard University in Cambridge untersucht.

Konkret analysierten die Wissenschaftler die technologischen Voraussetzungen sowie die Kosten eines hypothetischen Geo-Engineering-Programms mit dem Ziel, die eingehende solare Strahlung durch das Einbringen von Sulfatpartikeln in die Stratosphäre zu verringern – ein Ansatz, bei dem jedes Jahr tonnenweise Material in Höhen von rund 20 Kilometer transportiert werden müsste.

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Mögliche Methoden des Geo-Engineering © Earth Institute Kiel

Ein neues Flugzeug

Ihre Analysen zeigen: Aktuell existiert kein Flugzeug, das lange genug entsprechend hoch fliegen kann und gleichzeitig die nötige Ladekapazität hat. Da Alternativen wie spezielle Ballons zu teuer wären, müsste man ein komplett neues Flugzeug entwickeln. Dieses Flugzeug würde einem herkömmlichen Passagierflugzeug ähnlich sehen – bräuchte aber etwa doppelt so große Tragflächen und für den nötigen Schub vier anstatt zwei Motoren.

„Außerdem wäre sein Rumpf kurz und schmal. Denn anstatt eine Vielzahl von Menschen müsste das Flugzeug eine schwere, aber dichte Masse flüssigen Schwefels transportieren“, berichtet Smith. In dem Entwurf des Teams könnte das Flugzeug ein Ladegewicht von 25 Tonnen tragen. „Es wäre ein ungewöhnliches Design, aber keines, das technologische Durchbrüche erfordert“, ergänzt Wagner.

60.000 Flüge pro Jahr

Für ihre weiteren Berechnungen gingen die Forscher von folgenden Annahmen aus: Im ersten Jahr des Programms würde eine Flotte aus acht solchen Flugzeugen damit beginnen, Schwefeldioxid auf der Nord- und auf der Südhalbkugel in die Stratosphäre zu blasen. Im Laufe von 15 Jahren würde sich das Programm von 4.000 Flügen im ersten Jahr auf 60.000 Flüge jährlich ausweiten, die von dann 100 Flugzeugen absolviert würden.

Wie Wagner und Smith kalkulierten, könnte die Erderwärmung durch ein solches Programm um rund 0,1 Grad Celsius pro Jahr und damit in 15 Jahren um rund 1,5 Grad insgesamt gesenkt werden. Doch zu welchem Preis? Für die Entwicklung des Flugzeugs und weiteren, vor dem Programmstart nötigen Investitionen setzen die Forscher rund 3,5 Milliarden US-Dollar an.

Überraschend günstig

Das laufende Programm einschließlich Kosten für die Crew, Wartung, Versicherungen, Treibstoff und Co ließe sich ihren Berechnungen zufolge mit zwei bis 2,5 Milliarden Dollar pro Jahr stemmen – und wäre damit überraschend günstig. „Dutzende Länder der Welt hätten sowohl die Expertise als auch das Geld, um ein solches Programm zu finanzieren“, schreiben die Wissenschaftler.

Dass einer dieser Staaten im Alleingang und im Geheimen das Weltklima manipulieren könnte, sei aber nicht zu befürchten: „Kein globales Programm dieser Art mit tausenden Flügen in ungewöhnlicher Höhe könnte jemals geheimbleiben“, sagt Smith. „Wenn jemand ein solches Programm starten würde, würde man das mitbekommen.“

Umsetzbar – aber auch sinnvoll?

Insgesamt zeigt die Untersuchung des Teams auf, dass ein künstlicher Sonnenschutz für die Erde technisch und finanziell machbar wäre. Ob ein solcher Ansatz sinnvoll wäre, bleibt allerdings offen: „Wir fällen hier kein Urteil darüber, wie erstrebenswert eine Aerosol-Injektion in die Stratosphäre ist. Wir zeigen schlicht, dass sie aus Ingenieursperspektive umsetzbar wäre“, schließt das Team.

Tatsächlich haben bereits mehrere Studien erhebliche Neben- und Nachwirkungen dieser Geo-Engineering-Methode aufgezeigt. Demnach könnte eine Aerosol-Freisetzung primär auf der Nordhalbkugel im Süden sogar Dürren fördern und auch die weitere Erwärmung der Meere ließe sich damit nicht aufhalten. Zudem könnte nach einer Phase des Geo-Engineering sogar ein zehnfach schnellerer Anstieg der Temperaturen drohen. (Environmental Research Letters, 2018; doi: 10.1088/1748-9326/aae98d)

(IOP Publishing, 26.11.2018 – DAL)

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