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Neurobiologie

Kooperativer durch Ecstasy?

Drogen-Wirkstoff fördert Kooperationsbereitschaft

Ecstasy-Tabletten: Wer sie schluckt, verhält sich womöglich kooperativer. © Portokalis/ iStock.com

Einfluss aufs Sozialverhalten: Der Ecstasy-Wirkstoff MDMA macht Menschen kooperativer – allerdings nicht in jeder Beziehung. Wie eine Studie offenbart, zeigen Probanden unter dem Einfluss der Droge eine höhere Kooperationsbereitschaft gegenüber vertrauenswürdigen Personen. Ihnen verzeihen sie sogar einmalige Vertrauensbrüche schneller. Haben sie es dagegen mit Menschen zu tun, die sich grundsätzlich als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben, zeigt sich dieser Effekt der Droge nicht.

Der Konsum von Ecstasy ist illegal und kann gefährliche Folgen haben – trotzdem ist das Amphetaminderivat eine beliebte Partydroge. Dies liegt vor allem daran, dass der Wirkstoff MDMA eine starke emotionale Wirkung entfaltet: Er intensiviert die eigenen Gefühle und Gedanken. Gleichzeitig beeinflusst die Verbindung die Verarbeitung von sozialen Signalen. So zeigen Studien, dass es Menschen unter Ecstasy-Einfluss zum Beispiel leichter fällt, positive Emotionen am Gesichtsausdruck zu erkennen.

Auch auf das Sozialverhalten selbst kann sich Ecstasy nachweislich auswirken. Einen bestimmten Aspekt dieser Wirkweise haben Anthony Gabay vom King’s College London und seine Kollegen nun genauer unter die Lupe genommen. Sie wollten wissen: Welchen Einfluss hat MDMA auf die Kooperationsbereitschaft?

Leugnen oder gestehen?

Für ihre Studie verabreichten die Forscher 20 männlichen Probanden entweder 100 Milligramm des Drogen-Wirkstoffs oder ein Placebo. Anschließend nahmen die Männer an Spielen teil, bei denen es um die Kooperation mit anderen ging – darunter das sogenannte Gefangenendilemma. Bei diesem Spiel werden zwei Personen eines gemeinsamen Verbrechens beschuldigt und müssen nun eine Entscheidung fällen: Leugnen oder gestehen sie?

Der Clou dabei: Leugnen beide Spieler, erhalten sie für diese Form der Kooperation Punkte und werden nicht bestraft. Gesteht einer der Spieler und verrät seinen Komplizen, bekommt er als Kronzeuge alle Punkte – während der Verratene als Verlierer dasteht. Im Test spielten die Probanden über einen Computer vermeintlich mit einer anderen Person zusammen. Tatsächlich aber handelte es sich um ein Computerprogramm, dass sich im Laufe mehrerer Runden entweder vertrauenswürdig oder nicht vertrauenswürdig verhielt. Wie würden die Teilnehmer reagieren?

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Kooperativer – und weniger nachtragend

Es zeichnete sich ab: Probanden, die zuvor MDMA geschluckt hatten, zeigten sich deutlich kooperativer – jedoch nur dann, wenn sie es mit einem offenbar vertrauenswürdigen Mitspieler zu tun hatten. „Überraschenderweise veränderte MDMA dagegen nicht die Einschätzung darüber, wie vertrauenswürdig jemand war. Nicht vertrauenswürdige Spieler wurden unter Drogen- und Placebo-Einfluss jeweils gleich gut erkannt und auch entsprechend behandelt“, berichtet Gabays Kollege Mitul Mehta.

Mit anderen Worten: Der Ecstasy-Wirkstoff führte nicht dazu, dass die Teilnehmer anderen naiv vertrauten, wenn es eigentlich keinen Anlass dafür gab. Allerdings: Wurden sie einmalig von einem ansonsten vertrauenswürdigen Mitspieler verraten, schienen sie diesen Vertrauensbruch durch MDMA schneller zu verzeihen. „Die Probanden reagierten zunächst zwar genauso wie in der Placebo-Gruppe. Sie kehrten aber rascher zu einer kooperativen Verhaltensweise zurück. Diese Tendenz, eine Beziehung neu aufzubauen, führte insgesamt zu höheren Kooperationsraten“, berichtet Mehta.

Potenzial für die Therapie?

Welche Prozesse im Gehirn liegen diesem Phänomen zugrunde? Untersuchungen im Magnetresonanztomografen (MRT) offenbarten: MDMA erhöht die Aktivität in bestimmten Bereichen des Temporallappens sowie des Gyrus cinguli – Hirnregionen, die unter anderem bei der Einschätzung von Gedanken und Intentionen anderer eine Rolle spielen. Interagierten die Probanden mit vertrauenswürdigen Partnern, führte MDMA zudem zu einer erhöhten Aktivität in der rechten anterioren Insula, einem Teil der Inselrinde. Beim Kontakt mit nicht vertrauenswürdigen Spielern ging die Aktivität dort dagegen zurück.

Wie die Forscher erklären, ist dieser Teil der Inselrinde unter anderem für die Bewertung von Risiken und Unsicherheiten von Bedeutung. Der einseitige Effekt des Ecstasy-Wirkstoffs erkläre damit, warum sich Probanden unter Drogeneinfluss nur gegenüber vertrauenswürdigen Mitspielern kooperativer zeigten.

Die nun entdeckten Wirkungen könnten MDMA zu einem vielversprechenden Wirkstoff für die Behandlung bestimmter psychiatrischer Erkrankungen machen, wie Gabay und sein Team betonen. Vor allem Patienten, die Schwierigkeiten mit sozialen Interaktionen haben, kann der Wirkstoff demnach womöglich helfen – zum Beispiel Menschen mit einer posttraumatischen Belastungsstörung. (Journal of Neuroscience, 2018; doi: 10.1523/JNEUROSCI.1276-18.2018)

(Society for Neuroscience, 21.11.2018 – DAL)

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