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Chemie

Maßgeschneiderte Spiegelmoleküle

Neues Verfahren könnte künstlich chirale Verbindungen erzeugen

Durch schnelle Rotation verliert Phosphin seine Symmetrie: Es entstehen zwei spiegelbildliche Varianten des Moleküls. © DESY/ Andrey Yachmenev

Wie Bild und Spiegelbild: Wissenschaftler haben ein neues Verfahren entwickelt, um chirale Verbindungen im Labor zu erzeugen. Mithilfe spezieller Laserpulse können sogenannte kreiselsymmetrische Moleküle demnach zum Rotieren gebracht und in linkshändige und rechtshändige Varianten überführt werden. In Zukunft könnte diese Methode maßgeschneiderte Spiegelmoleküle liefern – und so zum Beispiel neuartigen Materialien den Weg ebnen, wie die Forscher berichten.

Viele Moleküle existieren in zwei spiegelbildlichen Varianten: Solche sogenannten Enantiomere sind in ihrer atomaren Zusammensetzung zwar identisch. Ihre räumlichen Strukturen verhalten sich jedoch wie Bild und Spiegelbild zueinander. „Seit mehr als einem Jahrhundert enträtseln Forscher Stück für Stück die Geheimnisse dieser Händigkeit in der Natur, die nicht nur die belebte Welt betrifft: Spiegelversionen mancher Moleküle können auch chemische Reaktionen oder Materialeigenschaften verändern“, sagt Andrey Yachmenev von der Universität Hamburg.

So gibt etwa die rechtshändige Form der organischen Verbindung Carvon dem Kümmel seinen charakteristischen Geschmack, während die linkshändige Variante für das Aroma der Minze verantwortlich ist. Tragisch wirkte sich die unterschiedliche Händigkeit von Molekülen beim Schlafmittel „Contergan“ aus: Dessen rechtshändige Form ist harmlos, das linkshändige Molekül dagegen kann starke Missbildungen bei Ungeborenen im Mutterleib verursachen.

Von der Theorie in die Praxis

In der Natur tritt die auch Chiralität genannte Händigkeit nur in einigen Molekülen auf. Wissenschaftler forschen jedoch inzwischen daran, Spiegelmoleküle auch künstlich zu erzeugen. „Chiralität lässt sich in sogenannten kreiselsymmetrischen Molekülen gezielt induzieren“, berichtet Mitautor Alec Owens. „Lässt man diese Moleküle schnell genug rotieren, verlieren sie ihre Symmetrie und bilden je nach Drehrichtung eine von zwei Spiegelformen.“

So weit die Theorie – in der Praxis war über dieses Phänomen der Rotationschiralität bisher allerdings wenig bekannt. Denn es gab kaum experimentell umsetzbare Verfahren, um die Händigkeit zu generieren. Das jedoch könnte sich nun geändert haben: Wie die Wissenschaftler berichten, haben sie rechnerisch einen Weg gefunden, die rotationsinduzierte Chiralität mit realistischen Parametern im Labor zu erzeugen.

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Mit Laserpulsen ans Ziel

Bei dem von ihnen erdachten Verfahren kommen korkenzieherförmige Laserpulse zum Einsatz, die als optische Zentrifugen fungieren. Bei der Verbindung Phosphin beispielsweise passiert bei Drehraten von einigen Billionen Mal pro Sekunde folgendes: Die Phosphor-Wasserstoff-Bindung, um die sich das Molekül dreht, wird kürzer als die beiden anderen Bindungen. Je nach Drehrichtung entstehen dabei zwei chirale Formen von Phosphin. „Mit einem starken statischen elektrischen Feld kann die links- oder rechtshändige Version des rotierenden Phosphins ausgewählt werden“, erläutert Yachmenev.

Durchgerechnet haben die Forscher die Spiegelmolekül-Erzeugung bisher nur am Beispiel Phosphin. Sie sind aber sicher, dass ihre Methode im Prinzip auch mit anderen Molekülen funktionieren kann. Bestätigt sich dies, könnte das neue Verfahren in Zukunft maßgeschneiderte Spiegelmoleküle liefern. Dies würde langfristig nicht nur zu einem besseren allgemeinen Verständnis dieses spannenden Natur-Phänomens führen.

„Die genauere Erforschung der Händigkeit kann auch zur Entwicklung maßgeschneiderter chiraler Moleküle und Materialien, zu neuen Materiezuständen und zu einer möglichen Nutzung der rotationsinduzierten Chiralität in neuartigen Metamaterialien oder optischen Geräten beitragen“, schließt Studienleiter Jochen Küpper. (Physical Review Letters, 2018; doi: 10.1103/PhysRevLett.121.193201)

(Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY, 12.11.2018 – DAL)

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