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Astronomie

Galaxienkerne im Todestanz

Überraschend viele Galaxien enthalten zwei sich umkreisende Schwarze Löcher

Diese Aufnahme zeigt zwei sich eng umkreisende Schwarze Löcher im Zentrum der Galaxie NGC 6240. © NASA, ESA, W. M. Keck Observatory, Pan-STARRS and M. Koss (Eureka Scientific, Inc.)

Tanz der Giganten: Überraschend viele Galaxien haben gleich zwei supermassereiche Schwarze Löcher in ihrem Zentrum – Schwerkraftgiganten kurz vor der Verschmelzung. Das haben Astronomen bei einer Durchmusterung von fast 500 Galaxien entdeckt. In 17 Prozent der aktiven Galaxien fanden sie Paare von sich umkreisenden Schwarzen Löchern – deutlich mehr als erwartet, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten. Ihre Beobachtungen bestätigen zudem, dass diese Giganten kurz vor der Kollision noch einmal rasant wachsen.

Unsere Milchstraße hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Denn sie ist schon mehrfach mit anderen Galaxien kollidiert – besonders heftig vor rund zehn Milliarden Jahren. Auch bei anderen Galaxien sind solche Karambolagen keine Seltenheit. Was dabei mit den zentralen Schwarzen Löchern dieser Galaxien passiert, ist bisher aber nur in Teilen geklärt. So könnte die Milchstraße in ihrem Halo noch „Geschwister“ ihres supermassereichen Schwarzen Lochs besitzen – Überbleibseln vergangener Kollisionen mit Zwerggalaxien.

Todesspirale hinter Wolken

Bei frontalen Zusammenstößen jedoch kommt es nach gängiger Theorie zur Verschmelzung der zentralen Schwarzen Löcher: Beide umkreisen sich immer enger, bis sie unter Freisetzung von Gravitationswellen miteinander kollidieren. Bisher haben Astronomen einen solchen „ Todestanz“ aber nur in ganz wenigen Fällen beobachten können. Wie oft solche Verschmelzungen supermassereicher Schwarzer Löcher daher tatsächlich vorkommen, ist daher unklar.

Das Problem: „Beobachtungen haben gezeigt, dass solche Schwarzen Löcher von verhüllenden Gas- und Staubwolken verdeckt werden – selbst in noch frühen Stadien der Verschmelzung“, erklären Michael Koss von der ETH Zürich und seine Kollegen. Das aber macht es schwer, solche sich umkreisenden Paare auszumachen und zu beobachten.

Auf frischer Tat ertappt

Jetzt jedoch ist es Astronomen gelungen, mithilfe des Swift-Röntgenteleskops durch die verhüllenden Wolken zu blicken – und erstmals systematisch nach zentralen Schwarzen Löcher kurz vor ihrer Verschmelzung zu suchen. Die Forscher durchmusterten dafür knapp 500 Galaxien in einem Umkreis von rund 330 Millionen Lichtjahren. Detektierten sie einen aktiven Galaxienkern, suchten sie in den Daten des Hubble-Weltraumteleskops und des Keck-Teleskops auf Hawaii nach genaueren Aufnahmen dieser Galaxien.

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Neuentdeckte Paare supermassereicher Scharzer Löcher in verschiedenen Galaxien. © NASA/ ESA, M. Koss (Eureka Scientific, Inc.); W. M. Keck Observatory

Und sie wurden fündig: Bei 17 Prozent der aktiven, aber wolkenverhüllten Galaxienkerne entdeckten die Astronomen zwei statt nur einem Schwarzen Loch im Zentrum. In vielen Fällen waren die beiden Schwerkraftgiganten bereits in den Spätstadien ihres „Todestanzes“ – kurz vor der Verschmelzung: „Es war ziemlich beeindruckend, diese verschmelzenden Galaxienkerne mit ihren gigantischen Schwarzen Löchern so nah beieinander zu sehen“, sagt Koss.

Rasantes Wachstum im Endstadium

Überraschend war dabei die relativ große Zahl solcher Löcher-Paare: Bisher vermuteten Astronomen, dass diese Endphase der Verschmelzung nur bei rund einem Prozent der aktiven Galaxien zu sehen ist. Denn gängiger Theorie nach dauert diese letzte, spiralige Annäherung nur kurz. „Einer aktuellen Simulation zufolge verbringen Schwarze Löcher fünfmal länger in Entfernungen von 10.000 bis 30.000 Lichtjahren als wenn sie nur noch weniger als 10.000 Lichtjahre voneinander entfernt sind“, erklären die Forscher. Für entsprechend gering hielt man die Chance, sie dabei zu erwischen.

Umso spannender waren die ersten Erkenntnisse, die die Astronomen nun gewonnen haben: Die Beobachtungen bestätigen unter anderem, dass supermassereiche Schwarze Löcher in der Endphase ihre Annäherung noch einmal rapide an Größe zunehmen. „Dieses rasante Wachstum der Schwarzen Löcher vor der Verschmelzung verrät uns, wie wichtig Galaxienverschmelzungen für die enorme Größe solcher Schwerkraftgiganten sind“, sagt Koautorin Laura Blecha von der University of Florida.

Hoffnung auf künftige Teleskope

Die Astronomen hoffen, mit leistungsstärkeren Teleskopen noch mehr über den Todestanz der Giganten zu erfahren. „Selbst mit Hubble können wir viele nahegelegene Galaxien nicht auflösen – die beiden Kerne verschwimmen zu einem“, erklärt Sylvain Veilleux von der University of Maryland. Künftige Teleskope wie das James-Webb-Weltraumteleskop oder das European Extremely Large Telescope könnten die sich umkreisenden Galaxienkerne aber sichtbar machen. (Nature, 2018; doi: 10.1038/s41586-018-0652-7)

(University of Maryland, 08.11.2018 – NPO)

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