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Neurobiologie

Warum Lavendel beruhigend wirkt

Forscher lüften Geheimnis um die Wirkung des Lavendeldufts

Der Duft von Lavendel wirkt beruhigend auf uns - aber warum? © Remedios/ iStock.com

Duftende Entspannung: Forscher haben herausgefunden, wie die beruhigende Wirkung von Lavendel zustande kommt. Demnach ist für diesen Effekt tatsächlich unsere Nase verantwortlich. Nehmen Riechzellen einen in der Pflanze enthaltenen Duftstoff wahr, werden daraufhin bestimmte Rezeptoren im Gehirn aktiviert – und das macht uns entspannt. Ohne Beteiligung der Nase lässt sich die Wirkung des Lavendels entgegen bisheriger Annahme dagegen nicht herbeiführen.

Lavendel riecht nicht nur gut. Den in der Pflanze vorkommenden ätherischen Ölen werden seit jeher auch positive Effekte nachgesagt: Lavendelöl soll unter anderem beruhigend wirken und den Schlaf verbessern können. Aus diesem Grund ist es in zahlreichen Kosmetikartikeln enthalten – von der Bodylotion bis zum Badezusatz. Tatsächlich belegen Studien, dass die entspannende Wirkung solcher Produkte keineswegs nur auf einen Placeboeffekt zurückzuführen ist. Vielmehr scheint der im Lavendelöl enthaltene Alkohol Linalool verantwortlich dafür zu sein.

Über welche Mechanismen der blumig riechende Duftstoff genau wirkt, war bisher allerdings unklar. Einige Forscher gehen davon aus, dass die Substanz beim Einatmen über die Atemwege in den Blutkreislauf und von dort ins Gehirn gelangt. Dort, so die Vermutung, interagiert das Linalool direkt mit Rezeptoren wie GABAA. Über diese Rezeptoren wirken beispielsweise auch beruhigende, angstlösende Medikamente aus der Klasse der Benzodiazepine.

Auf die Nase kommt es an

Wissenschaftler um Hideki Kashiwadani von der Kagoshima Universität in Japan haben nun überprüft, ob dieser Erklärungsansatz stimmt – oder ob das Linalool womöglich über einen anderen Weg seine beruhigende Wirkung entfaltet. Dafür setzten sie Mäuse Linalool-Dämpfen aus und beobachteten, was passierte.

„Wie erwartet, hatte der Duftstoff eine beruhigende Wirkung auf die Nager“, berichtet Kashiwadani. Der entscheidende Hinweis ergab sich aber, als die Forscher denselben Versuch mit Mäusen durchführten, deren Riechzellen in der Nase zerstört worden waren. Denn diese Tiere ließ die duftende Umgebung völlig unbeeindruckt – ein Zeichen dafür, dass der positive Effekt nicht durch das Einatmen des Stoffes, sondern durch das Riechen entsteht.

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Klinische Anwendung in Sicht?

Weitere Experimente zeigten: Blockierte das Team die GABAA-Rezeptoren mit dem Wirkstoff Flumazenil, verflüchtigte sich auch bei den gesunden Nagern der entspannende Effekt des Lavendeldufts. „Zusammen genommen legen diese Ergebnisse nahe, dass Linalool zwar nicht direkt auf die GABAA-Rezeptoren einwirkt – sie aber über Riechneuronen in der Nase aktiviert“, sagt Kashiwadani.

Da nun klar ist, wie das Linalool wirkt, rückt den Wissenschaftlern zufolge auch eine Anwendung im klinischen Bereich näher – wenngleich weitere Forschung nötig ist. So könnte der Duft beispielsweise im Vorfeld von Operationen eingesetzt werden, um Patienten die Angst zu nehmen. Zudem stellen Linalool-Dämpfe womöglich eine Alternative für Patienten mit Angststörungen dar, die Probleme haben, Tabletten oder Zäpfchen einzunehmen: verwirrte, ältere Menschen etwa.

Wie die Forscher betonen, hätte der Einsatz des Duftstoffs außerdem einen weiteren Vorteil gegenüber klassischen Angstlösern wie Benzodiazepinen. Ihn zu schnuppern führt nicht zu Bewegungseinschränkungen – Benzodiazepine oder Linalool-Infusionen dagegen können einen ähnlichen Effekt auf die Koordination haben wie übermäßiger Alkoholkonsum. (Frontiers in Behavioral Neuroscience, 2018; doi: 10.3389/fnbeh.2018.00241)

(Frontiers, 24.10.2018 – DAL)

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