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Geowissen

Braucht Europa ein Tsunami-Frühwarnsystem?

Forscher: Auch Atlantikküste und Mittelmeer von Riesenwellen bedroht

Das Erdbeben des 26. Dezember 2004 vor der Küste Sumatras und der davon ausgelöste Tsunami haben zu einer der größten Naturkatastrophen der Menschheit geführt. Ein vergleichbares Ereignis könnte jedoch, wie das Beben von Lissabon 1755 zeigte, auch die Küsten Portugals, Spaniens und Nordafrikas treffen.

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Europa wäre dann kaum besser vorbereitet als die Menschen in Südasien. Welche Lehren müßen wir also aus dem Sumatra-Beben ziehen? Welche Möglichkeiten haben wir, Voraussagen zu machen, Vorkehrungen zu treffen, rechtzeitig zu warnen? Diesen drängenden Fragen geht Professor Dr. Friedemann Wenzel von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften nach.

„Wir dürfen auf Katastrophen nicht nur reagieren, sondern müßen ihnen vorbeugen. Die Frage der Katastrophenvorbeugung, insbesondere gegen Extremereignisse könnte sich für unsere Gesellschaften als eine Frage des Überlebens erweisen“, so Wenzel. „Welche raumplanerischen und baulichen Schutzmaßnahmen getroffen werden können und wie die Bevölkerung auf den Ernstfall vorbereitet wird, das alles müßen wir jetzt ernsthaft diskutieren.“

pannungen der Erdkruste auf der Spur

Wenzel leitet die Forschungsstelle „Weltkarte der tektonischen Spannungen“ der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Sie untersucht systematisch die tektonischen Spannungszustände der Erdkruste. Der in den letzten Jahren von der Forschungsstelle gewonnene Datensatz ist weltweit einmalig und wird in Zusammenarbeit mit internationalen Forschungseinrichtungen wie auch der in diesem Bereich tätigen Industrie permanent aktualisiert. So ist es Wenzel und seinem Team mittlerweile möglich, durch numerische Simulationen regionale und lokale Spannungsverhältnisse der Erdkruste recht exakt zu berechnen.

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“Sicherheit ist Illusion“

„Daß wir uns in Sicherheit wiegen, ist eine trügerische Illusion“, so Wenzel. „Auch Europa ist von Naturkatastrophen bedroht, wir leben keineswegs in einer geologisch ruhigen Zone, wie ein Blick in die jüngere Geschichte zeigt.“ Der Vulkanausbruch von Santorin zerstörte die minoische Kultur auf Kreta und blieb in unserem kulturellen Gedächtnis als der Untergang von Atlantis haften. Der Ausbruch des Vesuv zerstörte 79 n.Chr. Pompeji und Herculaneum, das Erdbeben von Lissabon vor 250 Jahren tötete 60.000 Menschen – die meisten durch den ausgelösten Tsunami; das Erdbeben nahe Istanbul im Jahre 1999 forderte 25.000 Menschenleben und vernichtete Werte in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar.

Historische Tsunamis wurden auch im östlichen Mittelmeer beobachtet.

Die Wiederholung solcher Ereignisse würde in der Gegenwart aber auf wesentlich dichter besiedelte Regionen treffen und damit erhebliche Schäden anrichten. „Wir bleiben – auch in Europa – heute noch weit hinter unseren Möglichkeiten zurück“, so das Resümee von Wenzel zum Thema Frühwarnung. Er fordert von der Politik, Lehren aus der Tsunami-Katastrophe von 26. Dezember 2004 zu ziehen. Denn nur wenn jetzt Maßnahmen getroffen würden und man konsequent bestehendes Knowhow nütze, könne man im Ernstfall auch effektives Katastrophenmanagement betreiben.

(Heidelberger Akademie der Wissenschaften, 03.02.2005 – NPO)

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