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Astronomie

Kosmischer Jet torpediert Theorie

Astronomen entdecken erstmals Teilchenstrom von Neutronenstern mit starkem Magnetfeld

Bisher hielt man Jets von Neutronensternen mit starken Magnetfeldern für unmöglich - eine Entdeckung wiederlegt dies nun. © ICRAR/University of Amsterdam

„Unmöglicher“ Teilchenstrom: Der neuentdeckte Jet eines Neutronensterns verblüfft die Astronomen – und widerspricht gängiger Theorie. Denn dieser energiereiche Teilchenstrom geht von einem Sternenrest mit extrem starkem Magnetfeld aus. Genau das aber galt bisher als unmöglich. Demnach ist bisherige Modell zur Entstehung solcher Jets offenbar falsch und muss nun neu überdacht werden, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.

Wenn ein Schwarzes Loch einen Stern verschlingt oder ein Neutronenstern seinem stellaren Begleiter Gas absaugt, entweicht ein Teil der dabei freiwerdenden Energie ins All: Es entsteht ein gewaltiger Strom aus ultraschnellem Gas und Strahlung – ein Jet. Diese gerichteten Teilchenströme gelten als typisches Indiz dafür, dass ein Neutronenstern oder Schwarzes Loch aktiv Materie akkretiert.

Magnetfeld blockiert Jet

Doch es gibt eine Ausnahme: „Wir haben solche Jets schon bei allen Arten von Neutronensternen gesehen. Aber nie zuvor haben wir einen Jet bei einem Neutronenstern mit starkem Magnetfeld beobachtet“, erklärt Erstautor Jakob van den Eijnden von der Universität Amsterdam. „Das führte zu der gängigen Theorie, dass ein starkes Magnetfeld die Jetbildung bei diesen Objekten blockiert.“

Nach dem etablierten Modell verhindern Feldstärken von mehr als einer Billion Gauss, dass das den Neutronenstern umgebende Material bis ins Zentrum der Akkretionsscheibe vordringt. Dadurch können die Gase nicht durch Wechselwirkungen mit den dort verankerten Feldlinien beschleunigt und ins All hinauskatapultiert werden – und eine Jetbildung bleibt aus.

Röntgenpulse aus dem All

Jetzt jedoch beweist eine Entdeckung das Gegenteil: Van den Eijnden und sein Team haben einen Neutronenstern aufgespürt, der trotz starkem Magnetfeld eindeutig einen Jet besitzt. Den ersten Hinweis lieferte ein Ausbruch von gepulster Röntgenstrahlung, den das Swift-Röntgenteleskop am 03.Oktober 2017 von Swift J0243.6+6124 (kurz Sw J0243) auffing. „Wir identifizierten diese Quelle als relativ langsam rotierenden Neutronenstern mit einem starken Magnetfeld“, berichten die Forscher.

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Ein Neutronenstern saugt Materie von seinem Begleitstern ab. © Dana Berry, NASA/GSFC

Dieser Neutronenstern umkreist einen Partnerstern von etwas mehr einer Sonnenmasse, dem er Material entzieht. Wenn das Magnetfeld nicht wäre, könnte er demnach durchaus einen Jet produzieren. Um Näheres zu erfahren, verfolgten die Astronomen drei Monate lang die Entwicklung dieser Strahlenquelle mit den Radioteleskopen des Very Large Array (VLA) in den USA.

Und er hat doch einen Jet!

Das überraschende Ergebnis: Die Radio-Merkmale von Sw J0243 sprachen dafür, dass dieser Neutronenstern einen Jet erzeugt – obwohl sein Magnetfeld dies eigentlich verhindern müsste. „Die Kombination von Eigenschaften entspricht der, die wir auch in anderen jetproduzierenden Systemen sehen – alternative Mechanismen können dafür keine Erklärung liefern“, sagt van den Eijnden. Damit ist klar: Sw J0243 besitzt einen Jet.

Zum ersten Mal haben Astronomen damit einen bislang als „unmöglich“ geltenden Jet bei einem stark magnetischen Neutronenstern nachgewiesen. „Diese Entdeckung widerlegt die seit langem gehegte Vorstellung, dass starke Magnetfelder die Bildung solcher Jets verhindern“, konstatieren die Forscher. „Das bedeutet, dass existierende Modelle der Jetbildung bei Neutronensternen neu überdacht werden müssen.“

„Theorien müssen überdacht werden“

Wie die Astronomen erklären, scheint das Magnetfeld zwar den Materialstrom aus dem Zentrum der Akkretionsscheibe zu verdrängen. Dafür aber lenkt es Gas und Plasma zu den Polen des Neutronensterns, wo es dann – weiter außen als üblich – als Jet ins All katapultiert wird. Wie genau dies aber vonstattengeht und welcher Mechanismus diesen Jet antreibt, ist noch unklar. „Das zeigt, dass es noch vieles gibt, das wir über die Jetbildung nicht wissen“, sagt Koautor James Miller-Jones vom International Centre for Radio Astronomy Research in Perth.

Die Entdeckung hat aber nicht nur Auswirkungen auf gängige Theorien und Modelle. Es bedeutet auch, dass es im Kosmos möglicherweise eine ganze Klasse von bisher unerkannten Quellen solcher energiereichen Gas- und Strahlungsströme geben könnte. „Diese bisher noch unerforschte Population eröffnet uns nun neue Möglichkeiten, allgemeine Vorhersagen für die Jetbildung bei Akkretions-Systemen zu überprüfen“, sagen die Forscher. (Nature, 20178; doi: 10.1038/s41586-018-0524-1)

(International Centre for Radio Astronomy Research (ICRAR), National Radio Astronomy Observatory, 27.09.2018 – NPO)

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