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Physik

Quantenblitz aus dem Diamant

Erster experimenteller Nachweis der Superradianz in einem Festkörper

Wenn Fehlstellen im Diamantgitter einen ultraschnellen, hellen Lichtblitz aussenden, ist die Superradianz im Spiel. © TU Wien

Quantenphysikalische Kettenreaktion: Mit einem abrupten Lichtblitz aus einem Diamant haben Forscher erstmals die Superradianz bei einem Festkörper nachgewiesen. Bei diesem Quantenphänomen gibt ein angeregtes Atom ein Photon ab und löst damit eine Kettenreaktion aus, die alle Nachbaratome ebenfalls zur Lichtemission bringt. Diese Superradianz könnte in Zukunft neue Laser und andere Quantentechnologien ermöglichen, wie die Physiker im Fachmagazin „Nature Physics“ berichten.

Das Ausgangsprinzip ist altbekannt: Durch Energiezufuhr lassen sich Atome in einen angeregten Zustand versetzen. Eines oder mehrere seiner Elektronen werden dann vorübergehend auf ein höheres Niveau angehoben. Fallen sie wieder in ihren alten Zustand zurück, geben sie Licht in Form eines Photons ab. „Das geschieht normalerweise rein zufällig, zu einem völlig unvorhersehbaren Zeitpunkt“, erklärt Seniorautor Johannes Majer von der TU Wien.

Entladung innerhalb von Nanosekunden

Doch es geht auch anders: Unter bestimmten Bedingungen löst die Abgabe nur eines Photons durch ein Atom eine Art Kettenreaktion aus. Dann geben alle Atome in der Nachbarschaft ihre überschüssige Energie innerhalb von wenigen Nanosekunden ab, ein intensiver Lichtblitz entsteht. Der Effekt dieser Superradianz ist ähnlich wie bei der stimulierten Emission eines Lasers, doch während dabei viele Photonen präsent sein müssen, reicht für die Superradianz ein einziges Photon als Auslöser aus.

Obwohl die Superradianz schon in den 1950er Jahren theoretisch vorhergesagt wurde, konnte sie bei Atomen in Festkörpern bislang nie experimentell nachgewiesen werden. Der Grund dafür: „Superradianz ist nur dann möglich, wenn man die Atome in einem Bereich versammelt, der deutlich kleiner ist als die Wellenlänge der Photonen“, erklärt Erstautor Andreas Angerer von der TU Wien. In diesem Bereich von wenigen 100 Nanometern treten aber normalerweise Atomwechselwirkungen auf, die die Superradianz stören.

In der Mitte dieses Versuchsaufbaus sitzt der Diamant. © TU Wien

Fehlstellen im Diamant

Angerer und seinem Team ist es nun gelungen, dieses Problem zu überwinden. Für ihr Experiment nutzten sie spezielle Diamanten, in deren Kohlenstoffgitter gezielt Fehlstellen eingebaut wurden: Statt eines Kohlenstoff-Atoms sitzt dort ein Stickstoff-Atom, die danebenliegende Stelle im Gitter ist unbesetzt. Wegen ihrer besonderen Eigenschaften eignen sich diese Nitrogen-Vacancy (NV)-Gitterfehler unter anderem auch als Quantenspeicher.

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Für die Superradianz entscheidend ist die Anregung dieser Gitterfehler: Sie reagieren auf Mikrowellen und damit auf Strahlung mit besonders großer Wellenlänge. „Unser System hat den entscheidenden Vorteil, dass wir dort mit elektromagnetischer Strahlung arbeiten können, die eine Wellenlänge von mehreren Zentimetern hat – daher ist es kein Problem, die einzelnen Defekt-Stellen im Radius einer Wellenlänge zu konzentrieren“, erklärt Angerer.

Ultraschneller Photonenblitz

Das Experiment gelang: Als die Forscher ihren Diamanten mit Mikrowellenpulsen bestrahlten, brachten sie das System zunächst eine einen metastabilen Zustand. Die Gitterfehler nahmen Energie auf, reagierten aber nicht weiter, bis eine bestimmte Schwelle überschritten wurde. „Rund 300 Nanosekunden nachdem wir dann die Mikrowellen-Anregung abgeschaltet hatten, beobachteten wir einen Blitz von Photonen, der aus dem Diamantzentrum herausschoss“, so die Physiker.

Ein solcher Blitz konnte nur durch Superradianz entstanden sein: „Dieser Superradianz-Puls wurde eine Billion Mal schneller emittiert als bei der normalen Entladung eines Nitrogen-Vacancy-Gitterfehlers“, berichten Angerer und seine Kollegen. Damit ist das lange vorhergesagte Quantenphänomen nun auch experimentell in einem Festkörper bewiesen und könnte künftig auch ganz praktische Anwendungen finden.

„Superradianz spielt in der Optik eine prominente Rolle, wo es beispielsweise die Entwicklung von neuen Lasern mit superdünnen Strahldicken ermöglicht“, so die Forscher. „unsere Arbeit liefert nun die Grundlange für zukünftige Quantentechnologien, darunter auch superradiante Feststofflaser.“ (Nature Physics, 2018; doi: 10.1038/s41567-018-0269-7)

(TU Wien, 04.09.2018 – NPO)

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