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Physik

Physiker schrumpfen Beschleuniger

Protonen-Kielwellen im Plasma bringen Elektronen auf kurzer Strecke auf hohe Energien

Surfen auf der Welle: Im AWAKE-Experiment bilden Protonen eine Plasmawelle (ovale Strukturen), die Elektronen (Kugeln) auf hohe Energien beschleunigen. © Jorge Vieira/IST Lisbon, Portugal

Plasma statt Magnete: Ein neuartiger Plasmabeschleuniger könnte riesige Teilchenbeschleuniger künftig überflüssig machen – zumindest wenn es um Elektronen geht. Denn eine nur wenige Meter lange Plasmakammer und ein Protonenstrahl reichen aus, um die Elektronen bis auf mehrere Gigaelektronenvolt zu beschleunigen. Das demonstriert ein erster Test des sogenannten Advanced Wakefield Experiments (AWAKE) am CERN, über den Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.

Teilchenbeschleuniger gehören zu den wichtigsten Werkzeugen der modernen Physik. Ihnen verdanken wir die Entdeckung von Elementarteilchen wie dem Higgs-Boson oder den exotischen Tetraquarks, aber auch Einblicke in die Grundkräfte der Physik oder den Zustand des Universums direkt nach dem Urknall. Bisher jedoch haben diese Beschleuniger einen Nachteil: Sie sind riesig und ihre als Tempomacher eingesetzten Elektromagnete verschlingen ungeheure Mengen Energie.

Kielwellen im Plasma

Schon länger suchen Physiker daher nach Methoden, Elektronen oder Protonen mit effektiveren Techniken auf Touren zu bringen. Zu diesen gehören Beschleuniger, die mit Terahertz-Strahlung arbeiten, aber auch Anlagen nach dem Prinzip der sogenannten Kielfeld-Beschleunigung (Plasma Wakefield Acceleration). Bei diesen werden kurze Laserpulse durch einen engen Kanal mit Plasma geschossen. Dies löst Elektronen aus dem Plasma und erzeugt ein kielwellenförmiges elektrisches Feld, das sie beschleunigt.

Bei diesen Plasmabeschleunigern reichen wenige Zentimeter Strecke aus, um Elektronen bis in den Gigaelektronenvolt-Bereich zu beschleunigen. Um jedoch noch höhere Energien oder weitere Flugstrecken zu erreichen, müssten mehrere dieser Anlagen hintereinander gekoppelt werden. „Die erzeugten Kielwellen sind zu schwach für einen effektiven Teilchentransport über längere Distanz“, erklärt Koautor Patrick Muggli vom Max-Planck-Institut für Physik.

Im Tunnel eines ehemaligen Neutrino-Experiments am CERN haben die Forscher der AWAKE-Kooperation eine zehn Meter lange Plasmazelle aufgebaut, in der sie Elektronen auf einer Plasmawelle surfen lassen. © Maximilien Brice/ CERN

Protonenstrahl statt Laserpuls

Das hat sich nun geändert: Mit dem Advanced Wakefield Experiment haben die Physiker die Kielfeld-Beschleunigung so weiterentwickelt, dass auch höhere Energien erreicht werden können. Statt eines Laserstrahles erzeugt dabei ein Protonenstrahl die Kielwellen im Plasma. Er wird in einem der Vorbeschleuniger des LHC produziert und in die rund zehn Meter lange Kammer mit einem Rubidium-Plasma eingespeist.

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Weil die Protonen schwerer und energiereicher sind, erzeugen sie auch stärkere Kielwellen als ein Laserpuls. Wenige Millisekunden nach dem Protonenstrahl wird ein Elektronenstrahl leicht versetzt in die Plasmakammer geschossen. Diese Teilchen werden nun von den Kielwellen erfasst und mitgerissen. „Das Ergebnis ist eine höhere Energie der mitsurfenden Teilchen“, erläutert Muggli.

Energiereichere Kollisionen

In ersten Tests haben die Physiker bereits Elektronen auf bis zu zwei Gigaelektronenvolt (GeV) beschleunigt. „Mit einem solchen Erfolg hatten wir erst gegen Ende des Jahres gerechnet“, sagt Allen Caldwell, Sprecher der AWAKE-Kooperation. „In dieser frühen Projektphase ging es zunächst darum zu überprüfen, inwieweit sich das Prinzip der Plasmabeschleunigung umsetzen lässt.“ Er und seine Kollegen gehen davon aus, dass sie in künftigen Modellen dieses Plasmabeschleunigers nur noch etwa einen Meter brauchen, um Elektronen auf ein Gigaelektronenvolt zu bringen.

Die Forscher hoffen, dass sich mit solchen Plasmabeschleunigern künftig Teilchenkollisionen mit bisher nicht erreichbaren Energien durchführen lassen. „Schon 2024 wollen wir zeigen, wie AWAKE für wissenschaftliche Projekte eingesetzt werden kann“, sagt Caldwell. Das könnte einige der offenen Fragen der Physik beantworten, unter anderem zur Natur der Dunklen Materie, zur Dunklen Energie oder der Supersymmetrie. (Nature, 2018; doi: 10.1038/s41586-018-0485-4)

(Max-Planck-Gesellschaft, 30.08.2018 – NPO)

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