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Biologie

Neue Quallenart im Nord-Ostsee-Kanal

Eingeschleppte Art stammt ursprünglich von der US-Ostküste

Ein Exemplar der Art Blackfordia virginica – diese nichtheimische Quallenart gibt es inzwischen auch im Nord-Ostsee-Kanal und in der Ostsee. © Cornelia Jaspers/GEOMAR, DTU Aqua, CC-by-sa 4.0

Blinder Passagier: Im Nord-Ostsee-Kanal und in der Ostsee haben Forscher eine eingeschleppte Quallenart entdeckt. Die ursprünglich aus dem Schwarzen Meer und von der US-Ostküste stammende Art hat sich im Kanal bereits etabliert. Auch in der Ostsee könnte sie günstige Bedingungen vorfinden, sagen die Biologen. Eingeschleppt wurde die Quallenart Blackfordia virginica vermutlich an der Außenhaut von Schiffen.

Ob Killeralge, Wollhandkrabbe oder Bohrmuschel: Mit dem Schiffsverkehr und globalen Handel kommen immer wieder auch „blinde Passagiere“ zu uns – Tier und Pflanzen, die aus anderen Regionen der Erde stammen. Für heimische Arten können einige dieser Bioinvasoren zum Problem werden. In Nord- und Ostsee haben Forscher in den letzten Jahren schon einige solcher Bioinvasoren entdeckt, darunter die Rippenqualle Mnemiopsis leidyi, die Pazifische Auster und die Asiatische Strandkrabbe.

Von der US-Ostküste in alle Welt

Ein weiterer Einwanderer ist nun Cornelia Jaspers vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und ihrem Team ins Netz gegangen. Bei Probenfahrten im Nord-Ostsee-Kanal und in der Ostsee entdeckten sie mehrere Vertreter der Quallenart Blackfordia virginica. „Unsere Langzeit-Daten zeigen, dass diese Quallen-Art seit dem Sommer 2016 im Nord-Ostsee-Kanal etabliert ist und sich aktiv vermehrt, also einen neuen Bestandteil des Ökosystems bildet“, sagt Cornelia Jaspers

Ursprünglich stammt diese Quallenart vermutlich aus dem Schwarzen Meer. Erstmals wissenschaftlich beschrieben wurde sie jedoch erst 1904, als Biologen sie in den Gewässern vor dem US-Bundesstaat Virginia beobachteten. „Mittlerweile findet sie sich aber auch in Indien, Südamerika und Südafrika“, erklärt Jaspers. Seit den 1970er Jahren kommt diese Qualle in Brackwassergebieten Nord-Frankreichs und seit den 1980er Jahren auch in Portugal vor.

„Wir haben es also mit einer Art zu tun, die auf eine lange Erfolgsgeschichte als Eroberer fremder Ökosysteme zurückblicken und dort sehr große Populationsdichten erreichen kann“, sagt die Biologin.

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Ende des Nord-Ostsee-Kanals in Kiel © Arnd Plumhoff/ CC-by-sa 2.0 de

An Schiffen mitgeschleppt

Wie die Quallen in den Nord-Ostsee-Kanal gelangt sind, ist nicht nachweisbar. Weil der Kanal jedoch die am stärksten befahrene künstliche Wasserstraße der Welt ist, vermuten die Forscher, dass Schiffe die Quallen eingeschleppt haben. Allerdings darf Ballastwasser im Kanal nicht abgepumpt werden. „Deshalb sind die Quallen wohl über Quallenpolypen an Schiffsrümpfen, die Jungquallen, sogenannte Ephyren, ins Wasser abgegeben haben, hier angekommen“, sagt Jaspers.

Auch außerhalb des Kanals, in der Kieler Förde, konnten die Wissenschaftler bereits Exemplare dieser Quallenart nachweisen. Bislang gibt es aber keine Belege dafür, dass sich die Art dort auch aktiv vermehrt. „Im Rahmen unserer Studie haben wir jedoch gezeigt, dass die Ostsee als Brackwassergebiet einen geradezu idealen Lebensraum für Blackfordia virginica darstellt. Wir erwarten deshalb eine weitere Ausbreitung“, so Jaspers.

Folgen der Quallen-invasion noch unklar

Welche Folgen das für die Ostsee haben könnte, ist noch unklar. Aus anderen Regionen ist jedoch bekannt, dass Blackfordia virginica eine erhebliche Konkurrenz zu anderen Planktonfressern darstellt. Außerdem kann sie den Nachwuchs von Fischarten beeinträchtigen, weil sie deren Larven frisst. Das könnte letztendlich auch wirtschaftliche Folgen haben.

„Insgesamt zeigt die Entdeckung, wie wichtig regelmäßiges Monitoring der Artenzusammensetzung in küstennahen Gewässern ist, da diese Gebiete besonders starken anthropogenen Einflüssen ausgesetzten sind“, betont Jaspers. „Besonders das gelatinöse Plankton, also Quallen, müssen wir dabei noch stärker als bisher berücksichtigen.“ (Helgoland Marine Research, 2018; doi: 10.1186/s10152-018-0513-7)

(GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, 27.08.2018 – NPO)

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