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Physik

Quantensprung mit Antimaterie

Physiker messen erstmals den Lyman-Alpha-Übergang beim Antiwasserstoff

Physiker haben das Positron des Antiwasserstoffs zum Lyman-Alpha-Übergang gebracht - ein wichtiger Durchbruch. © Podbregar

Antimaterie auf neuem Niveau: Physikern ist es erstmals gelungen, den wichtigsten Elektronenübergang des Wasserstoffs auch beim Antiwasserstoff zu messen – den sogenannten Lyman-Alpha-Übergang. Dieser Sprung des Elektrons auf eine höhere Energieebene findet demnach beim Antimaterie-Atom bis auf wenige hundert Millionstel im gleichen Energiebereich statt, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten. Spannend auch: Kann man diesen Übergang beim Antiwasserstoff auslösen, lässt er sich auch laserkühlen.

Wenn Atome mit energiereichem Licht bestrahlt werden, bringt dies einige ihrer Elektronen dazu, auf ein höheres Energieniveau zu springen. Weil diese Elektronenübergänge fest definierte Energieniveaus besitzen, erzeugen sie im Lichtspektrum charakteristische Linien. Für Astronomie und Physik besonders wichtig ist dabei der Lyman-Alpha-Übergang des Wasserstoffs. In ihm springt das Elektron vom niedrigsten Energieniveau 1S auf das 2P-Niveau und gibt beim Zurückfallen ein Photon im UV-Bereich von 121,6 Nanometern Wellenlänge ab.

Gibt es einen Unterschied?

Doch offen war bisher, ob auch das Antimaterie-Äquivalent des Wasserstoffs, der Antiwasserstoff, diesen entscheidenden Übergang für sein Positron zeigt – und ob dieser bei der gleichen Energie stattfindet. Denn sollte dies nicht der Fall sein, dann könnte dies ein erster Hinweis darauf sein, warum Materie heute im Universum dominiert – obwohl beim Urknall eigentlich genau gleichviel Antimaterie und Materie entstanden sein müssen.

Doch den Lyman-Alpha-übergang beim Antiwasserstoff zu messen, ist nicht einfach. „Schon beim ’normalen‘ Wasserstoff ist dies notorisch schwierig“, erklärt Jeffrey Hangst, Sprecher der ALPHA-Kollaboration am Forschungszentrum CERN. Beim Antiwasserstoff kommt hinzu, dass dieser erst aufwändig erzeugt und dann in speziellen Magnetfallen in der Schwebe gehalten werden muss. Denn kommen die Antimaterie-Teilchen mit normaler Materie in Berührung, löschen sie sich gegenseitig aus.

Antiwasserstoff unter UV-Laserbeschuss

Für ihr Experiment haben die Physiker zunächst Antiprotonen in einem speziellen Beschleuniger erzeugt und diese mit Positronen aus dem radioaktiven Natrium-22-Isotop kombiniert. „Ein typischer Durchgang im ALPHA-2-Experiment mischt 90.000 Antiprotonen und drei Millionen Positronen, um rund 50.00 Antiwasserstoff-Atome zu produzieren“, erklären die Forscher. Von diesen jedoch sind pro Zyklus nur zehn bis 20 dazu geeignet, in der Magnetfalle gehalten zu werden.

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Ein Raum voller Technik: Jeffrey Hangst in der Antimaterie-"Fabrik" des CERN © CERN

Durch spezielle Anreicherungstechniken gelang es den Physikern jedoch, jeweils mehrere hundert Antiwasserstoff-Atome für ihre Messungen in der Falle anzusammeln. Diese Antimaterie wurde dann mit Laserpulsen in zwölf verschiedenen Frequenzen um 121,6 Nanometer bestrahlt – dem Bereich, der beim normalen Wasserstoff den Lyman-Alpha-Übergang auslöst.

Übergang gelungen

Das Ergebnis: In 966 Fällen gelang es den Forschern, den Lyman-Alpha-Übergang beim Antiwasserstoff zu messen. Die Frequenz dieses Übergangs liegt demnach bei 2.466.051,7 Gigahertz. „Sie entspricht damit der Frequenz des Wasserstoffs mit einer Präzision von 500 Millionsteln“, berichten Hangst und seine Kollegen. Bisher ist demnach auch in diesem so fundamentalen Quantenübergang kein Unterschied zwischen Materie und Antimaterie zu finden.

„Dieses Ergebnis bringt uns einer Antwort auf einige der großen Fragen der Physik näher“, sagt Makoto Fujiwara von der ALPHA-Kollaboration. „Denn in den letzten Jahrzehnten haben Forscher die Atomphysik durch Methoden wie die optische Manipulation und Laserkühlung revolutioniert. Uns mit diesem Ergebnis können wir nun diese Methoden auch nutzen, um die Geheimnisse der Antimaterie zu erforschen.“

„Neue Ära der Antimaterie-Forschung“

Denn: Mit dem Lyman-Alpha-Übergang und dem schon zuvor beim Antiwasserstoff erreichten 1S-2S-Übergang können Physiker nun erstmals Antiatome mittels Laserkühlung bis knapp über dem absoluten Nullpunkt herunterzukühlen. Dadurch werden die Antiteilchen sozusagen „ruhiggestellt“, weil die sonst übliche Wärmeschwingung fast komplett unterbunden wird.

„Das liefert uns ultrakalte und dichte Proben von Antimaterie-Atomen, mit denen Präzisions-Spektroskopie und Schwerkraftmessungen durchführen können“, erklären die Wissenschaftler. „Das eröffnet eine ganz neue Ära der Antimaterie-Forschung.“ (Nature, 2018; doi: 10.1038/s41586-018-0435-1)

(CERN, University of British Columbia, 23.08.2018 – NPO)

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