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Astronomie

Nachbarn der Milchstraße sind Methusalems

Zwerggalaxien im Umfeld der Milchstraße gehören zu den ältesten Galaxien des Kosmos

Simulierte Milchstraße mit helleren (blau) und lichtschwächeren, alten Zwerggalaxien (weiß). © Durham University, Max-Planck-Institut für Astrophysik

Uralte Nachbarn: Wer nach den ältesten Galaxien des Weltalls sucht, muss nicht in die Ferne schweifen. Denn einige Zwerggalaxien im Umkreis der Milchstraße gehören zu diesen kosmischen Methusalems, wie Astronomen jetzt herausgefunden haben. Diese sehr lichtschwachen Galaxien entstanden vor mehr als 13 Milliarden Jahren – im dunklen Zeitalter des Kosmos. Sie gehören damit zu den ersten Galaxien unseres Universums.

Wenige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall erlebte das Universum einen entscheidenden Wandel: Die ersten Sterne und Galaxien entstanden. Sie beendeten das „dunkle Zeitalter“ des Kosmos und leitete die Epoche der Reionisierung ein: Die intensive Strahlung der jungen Sterne ionisierte die bis dahin neutralen interstellaren Gaswolken.

Überraschend alte Milchstraßen-Begleiter

Bisher haben Astronomen die ältesten Sterne und Galaxien vor allem in sehr großen Entfernungen beobachtet. Doch Sownak Bose vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge und sein Team haben einige potenzielle Methusalems direkt vor unserer kosmischen Haustür ins Visier genommen: Zwerggalaxien, die als Trabanten die Milchstraße umkreisen. Einige von ihnen umfassen weniger als tausend Sterne und sind daher trotz ihrer geringen Entfernung schwer aufzuspüren. Erst gut 50 dieser Trabanten sind bisher bekannt.

Für ihre Studie haben die Astronomen die Lichtkurven dieser Zwerggalaxien näher untersucht. Denn wie sie erklären, verbergen sich in deren Helligkeit und Sternenzahl Hinweise auf ihr Alter und den Zeitpunkt ihrer Entstehung. Dabei zeigte sich: Einige dieser sehr lichtschwachen Milchstraßen-Trabanten, darunter die Zwerggalaxien Segue-1, Bootes-1, Tucana II und Ursa Major I, müssen schon mehr als 13 Milliarden Jahre alt sein.

Einige Satellitengalaxien der Milchstraße. Nur 59 Zwerggalaxien in ihrem Umfeld sind bisher bekannt. Ursa Major I gehört zu den besonders alten Vertretern dieser Trabanten. © Richard Powell/ gemeinfrei

Entstehung im dunklen Zeitalter des Kosmos

„Einige der ersten Galaxien unseres Universums quasi im Hinterhof unserer Milchstraße zu finden, ist enorm aufregend“, sagt Koautor Carlos Frenk von der Durham University. „Das ist das astronomische Äquivalent zur Entdeckung der Überreste der allerersten Menschen auf der Erde.“ Zu verdanken sei diese Entdeckung auch den leistungsfähigen modernen Teleskopen: „Noch vor einem Jahrzehnt wären uns diese lichtschwachen Galaxien komplett entgangen“, sagt Bose.

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Spannend ist diese Entdeckung aber nicht nur wegen der Nachbarschaft dieser Methusalems zu unserer Milchstraße. Die Existenz dieser Uralt-Galaxien bestätigt auch eine astronomische Theorie zur frühen Galaxienbildung im Universum, wie die Forscher erklären. Nach dieser entstanden die ersten Galaxien noch im dunklen Zeitalter, als neutrale Wasserstoffwolken von Halos aus Dunkler Materie gekühlt und konzentriert wurden und dadurch in ihnen die Sternbildung einsetzte.

Von der Reionisierung ausgebremst

„Das UV-Licht der ersten Sterne ionisierte diese Wasserstoffwolken jedoch und heizten sie bis auf 10.000 Kelvin auf“, erklären Bose und seine Kollegen. Dadurch stoppte die Sternbildung und damit das Wachstum dieser Galaxien. Als Folge blieben diese ersten Galaxien eher klein und lichtschwach – und sind bis heute als Zwerggalaxien erhalten. Sie sind daher wichtige Zeugen des kosmischen Übergangs vom dunklen Zeitalter zur Epoche der Reionisierung.

Ein Teil der Milchstraßen-Zwerggalaxien gehört zu dieser ersten Generation von Galaxien, wie die Astronomen berichten. Doch es gibt noch eine zweite Gruppe in unseren galaktischen Hinterhof. Diese Zwerggalaxien stammen aus einer späteren Phase und sind hunderte Millionen Jahre jünger. Sie entstanden, als die Halos aus Dunkler Materie größer wurden und das ionisierte Gas allmählich wieder abkühlte. Dadurch konnte die Sternbildung wieder einsetzen und nun bildeten sich größere, lichtstärkere Galaxien – wie schließlich auch unsere Milchstraße.

„Unsere Ergebnisse stützen damit das aktuelle Modell für die Evolution unseres Universums“, sagt Frenk. „In diesem Lambda Cold Dark Matter-Modell (ΛCDM) treiben die Elementarteilchen, aus denen die Dunkle Materie besteht, die kosmische Entwicklung an.“ Auch wenn bis heute rätselhaft ist, was das für Teilchen sind und woraus die Dunkle Materie besteht, scheint damit klar, dass sie eine entscheidende Rolle dafür spielte, das Universum zu dem zu machen, was es heute ist. (Astrophysical Journal, 2018; doi: 10.3847/1538-4357/aacbc4)

(Durham University, 17.08.2018 – NPO)

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