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Chemie

Grüne Synthese für High-Tech-Farbstoffe

Herstellung von Farbstoffen für OLEDs und Co mit reinem Wasser

Der Farbstoff Indigo ist bei Raumtemperatur vollständig wasserabweisend. Dennoch kann Wasser bei seiner Synthese als Lösungsmittel dienen - mit einem kleinen Trick. © TU Wien

Wasser statt Gift: Indigo und andere organische Farbstoffe können auch ohne giftige Lösungsmittel produziert werden – unter Druck erhitztes Wasser reicht völlig aus, wie Forscher entdeckt haben. Dieses verblüffend simple und schnelle Verfahren könnte künftig die Synthese von Hightech-Farbstoffen für OLEDs und organische Halbleiter umweltfreundlicher machen. Denn die bisher dafür nötigen toxischen Lösungsmittel werden nun entbehrlich.

Organische Farbstoffe wie Perinon, Indigo oder Pentacentetron beeindrucken nicht nur durch ihre strahlend intensive Farbe, sondern haben auch eine wichtige technologische Bedeutung: Organische Farbstoffe besitzen besondere elektronische Eigenschaften und werden unter anderem als organische Leuchtdioden (OLED) in Flachbildschirmen oder als Halbleiter in organischen Solarzellen eingesetzt.

Das Problem des Lösungsmittels

Das Problem: Bisher lassen sich solche organischen Farbstoffe nur über komplizierte und äußerst umweltschädliche Synthesemethoden herstellen. Denn für ihre Synthese sind giftige Lösungsmittel nötig, die die Vorläufer-Substanzen zur Reaktion bringen und dann die Farbstoffe auskristallisieren lassen.

Doch nun ist es Miriam Unterlass von der TU Wien und ihrem Team gelungen, mehrere typische Vertreter dieser Materialklasse auf eine neuartige Weise zu produzieren: Statt giftige Lösungsmittel einzusetzen, verwenden sie bloß gewöhnliches Wasser. „Die Farbstoffe, die wir produzieren, sind extrem wasserabweisend“, erklärt Unterlass. „Wenn man nach dem ersten Bauchgefühl geht, würde man daher vermuten, Wasser sei das denkbar schlechteste Lösungsmittel, um diese Moleküle zu synthetisieren und zu kristallisieren.“

Lässt man zum Beispiel einen Wassertropfen auf Indigo-Farbpulver fallen, perlt er ab. Der Farbstoff lässt sich nicht mit Wasser mischen.

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Unter Hitze und Druck

Aber es gibt einen Trick: Die Forscher haben für ihre Farbstoff-Synthese Wasser verwendet, das in Spezial-Druckbehältern auf über 180 Grad Celsius erhitzt wurde. Durch den hohen Druck bleibt das Wasser trotz der hohen Temperatur zum Großteil flüssig. Die chemischen und physikalischen Eigenschaften von Wasser ändern sich unter diesen Bedingungen drastisch.

Kristalle organischer Farbstoffe, die in Wasser auskristallisiert sind. © Angewandten Chemie

„Die Eigenschaften von kaltem, flüssigen Wasser werden stark durch die sogenannten Wasserstoff-Brückenbindungen bestimmt“, erklärt Unterlass. Jedes Wassermolekül ist bei Raumtemperatur im Durchschnitt mit drei bis vier anderen Wassermolekülen verbunden. Doch im heißen Druckbehälter verringern sich diese Bindungen und die Dissoziation des Wassers nimmt zu. „Das bedeutet auch, dass im Wasser bei hoher Temperatur viel mehr Ionen vorkommen als bei Normalbedingungen – aus manchen H2O-Molekülen kann H3O+ oder OH werden“, so Unterlass.

Wasser wird zum Katalysator

Das aber ändert die Eigenschaften des Wassers dramatisch: In gewissem Sinn verhält es sich unter diesen Bedingungen wie eine Säure und eine Base gleichzeitig – es kann sowohl als saurer als auch als basischer Katalysator dienen. Diese Ionen im Wasser mache es möglich, dass sich nun auch organische Substanzen in ihm lösen lassen, die bei Normalbedingungen vollkommen unlöslich sind, wie die Forscher erklären.

Das führt dazu, dass die untersuchten Farbstoffmoleküle in Wasser nicht nur synthetisiert, sondern auch kristallisiert werden können: Bei ausreichend hohen Temperaturen gehen sie in Lösung, und beim Abkühlen kristallisieren sie aus. „Üblicherweise braucht man giftige Lösungsmittel, um solche Farbstoffe herzustellen oder zu kristallisieren – in unserem Fall nimmt aber reines Wasser genau die gewünschten Lösemitteleigenschaften an – alles was man braucht ist Druck und Temperatur“, sagt Unterlass.

Kontrollierte Kristallisation

In ihren Experimenten gelang es den Forschern, nur mit reinem Wasser den organischen Farbstoff Perinon aus Naphtalin und weiteren Vorläufer-Substanzen zu synthetisieren. Außerdem nutzten sie ihren „Wasserreaktor“, um Indigo, Perinon und Pentacentetron kristallisieren zu lassen. Ein großer Vorteil dabei: Der Ordnungsgrad bei der Kristallisation ließ sich durch das Wasserverfahren besonders gut kontrollieren, wie die Forscher berichten.

„Im hochkristallinen Zustand – also bei hohem Ordnungsgrad auf molekularer Ebene – verbessern sich die elektronischen Eigenschaften dieser Materialien“, betont Unterlass. „Deshalb ist es gerade für Anwendungen in der organischen Elektronik wichtig, eine möglichst gute Kontrolle über den Kristallisationsprozess zu haben.“

Für die gewonnenen Kristalle gibt es neben OLEDs und Halbleitern noch andere Anwendungsideen. „Man kann sie überall einsetzen, wo die Ansprüche an Farbstoffe besonders hoch sind“, sagt Unterlass. „Etwa für Autolacke, oder in anderen Bereichen, wo extreme chemische oder thermische Bedingungen vorherrschen, da die Materialien mit steigender Kristallinität auch stabiler werden.“ (Angewandte Chemie International Edition, 2018; doi: 10.1002/anie.201801277)

(Technische Universität Wien, 13.08.2018 – NPO)

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