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Biologie

Alter „Feind“ schützt Koalas vor Viren

Virale Schnipsel im Genom der Tiere machen gefährliche Retroviren unschädlich

Unter den Koalas in Australien gehen Krankheiten um, die von Retroviren übertragen werden. © Oversnap/ iStock.com

Unerwartete Hilfe: Ein ehemaliger Feind hilft Koalas offenbar beim Kampf gegen krankmachende Retroviren. Wie eine Studie zeigt, schleusen sich uralte, im Genom der Tiere enthaltene Virus-Schnipsel in das Erbgut dieser Erreger ein. Auf diese Weise werden die normalerweise hoch infektiösen Retroviren unschädlich – und können sich nicht mehr vermehren. Dieser Mechanismus könnte auch die Entstehung einiger Junk-DNA-Elemente im menschlichen Genom erklären.

Das menschliche Genom enthält eine Reihe von Sequenzen, die dort eigentlich nichts zu suchen haben: retrovirale DNA. Sie ist in unserem Erbgut enthalten, weil unsere Vorfahren irgendwann einmal von Retroviren infiziert wurden. Solche Erreger schreiben ihr RNA-Erbgut in DNA um und fügen es dann in das Genom ihres Wirts ein. Auf diese Weise können sie dessen Zellmaschinerie nutzen, um sich zu vermehren.

Wenn die Retrovirus-Gene ihren Weg in Spermien oder Eizellen finden, werden sie von Generation zu Generation weitervererbt. Aus diesem Grund finden sich Spuren von ihnen bis heute in unserem Erbgut wieder – doch sie machen uns nicht mehr krank. Im Laufe der Zeit haben die einst schädlichen Genabschnitte ihre Gefährlichkeit für uns verloren und liegen nun nur noch als sogenannte Junk-DNA vor. Doch wie könnte dieser Prozess abgelaufen sein?

Sequenz wird bedeutungslos

Dieser rätselhaften Frage sind nun Wissenschaftler um Ulrike Löber vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin nachgegangen. Dafür schauten sie sich putzige tierische Probanden an: Koalas. „Das Beuteltier ist eines der wenigen Spezies, deren Keimbahn noch immer von krankmachenden Retroviren invadiert wird“, erklärt Mitautor Alfred Roca von der University of Illinois in Urbana. Interaktionen zwischen Erreger und Wirt konnte das Forscherteam an den Koalas daher gut beobachten.

Dabei machten sie eine überraschende Entdeckung: Offenbar hilft ein alter Feind den Beuteltieren dabei, den heutigen Feind unschädlich zu machen. Demnach schleusen sich uralte Elemente eines endogenen Retrovirus in das Erbgut des neuen Retrovirus ein. Die derart veränderte Virus-DNA kodiert nun nicht mehr für Proteine, die sich zu einem infektiösen Erreger zusammensetzen – stattdessen wird die Sequenz bedeutungslos.

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Langwieriger Prozess

„Wir haben hier womöglich einen neuen molekularen Abwehrmechanismus gefunden, mit dem sich Wirte vor retroviralen Attacken schützen“, sagt Löber. „Diese Studie macht deutlich, wie wenig wir über Retroviren bei Wildtieren wissen“, ergänzt ihr Kollege Alex Greenwood. „Der Koala liefert damit neue Einblicke in einen Prozess, der immerhin acht Prozent des menschlichen Genoms geformt hat.“

Was beim Menschen bereits vor Millionen von Jahren vonstattengegangen ist, könnte sich bei den Koalas allerdings noch eine Weile hinziehen. Die Forscher glauben: Bis das Retrovirus vollständig zu sogenannter Junk-DNA im Koala-Genom degradiert ist, wird es wahrscheinlich noch mehrere hundert bis tausend Jahre dauern.

Kranke Beuteltiere

Solange wird der Erreger den Tieren noch Krankheiten wie Krebs bescheren oder Immunstörungen, die Folgeerkrankungen wie Chlamydien-Infektionen nach sich ziehen können. Trotzdem gibt es Hoffnung: Die Entschlüsselung des Koala-Genoms hat vor kurzem offenbart, dass ein einziges Tier über hundert retrovirale Einlassungen in seinem Erbgut tragen kann.

„Diese Informationen können uns in Zukunft dabei helfen zu bestimmen, welche Retrovirus-Stämme für die Tiere besonders gefährlich sind und auf diese Weise die Entwicklung von Impfstoffen erleichtern“, schließt Mitautorin Rebecca Johnson vom Australian Museum in Sydney. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2018; doi: 10.1073/pnas.1807598115)

(University of Illinois, 08.08.2018 – DAL)

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