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Mathematik

Fields-Medaille für deutschen Mathematiker

"Nobelpreis der Mathematik" geht an Peter Scholze und drei weitere Preisträger

Der Mathematiker Peter Scholze von der Universität Bonn ist einer der vier Preisträger der Fields-Medaille. © Volker Lannert / Universität Bonn

Höchste Auszeichnung: Der 30-jährige Mathematiker Peter Scholze von der Universität Bonn ist einer der vier Preisträger der diesjährigen Fields-Medaille. Sie gilt als der „Nobelpreis der Mathematik“ und wird nur alle vier Jahre vergeben. Scholze erhält die Auszeichnung für bahnbrechende Arbeiten in der Arithmetischen Geometrie. Ebenfalls zu den Preisträgern gehören der Netzwerkanalytiker Alessio Figalli, der Zahlentheoretiker Akshay Venkatesh und der an Geometrie forschende Caucher Birkar.

Peter Scholze galt schon länger als heißer Favorit für die Fields-Medaille. Denn bereits als 22-jähriger Doktorand sorgte er weltweit für Aufsehen in der Mathematiker-Gemeinschaft, als er einen 228 Seiten lange Beweis in der Zahlentheorie auf neue Weise löste – in schlanken 37 Seiten. Mit nur 24 Jahren wurde er zum Professor am Hausdorff-Zentrum für Mathematik der Universität Bonn ernannt – als jüngster Professor Deutschlands. Seither forscht Scholze weiter im Grenzbereich von Zahlentheorie und Geometrie.

„Es gibt eine starke Beziehung zwischen Algebra und Geometrie“, erklärt Scholze. So lassen sich beispielsweise geometrische Konstrukte verwenden, um Lösungen für polynomische Gleichungen und auch Primzahlen besser zu verstehen. „Für die ganzen Zahlen wird dieser Raum mit Spec(Z) bezeichnet, das sogenannte Spektrum. Die Punkte in diesem Raum entsprechen den Primzahlen“, so der Mathematiker.

Neues Konzept der „perfektoiden Räume“

Die Fields-Medaille hat Scholze für seine Entwicklung der sogenannten perfektoide Räume erhalten. Diese neuen, fraktal-ähnlichen Strukturen erlauben es, die ganzen Zahlen besser als bislang als geometrisches Gebilde zu interpretieren. „Dieses Konzept der perfektoiden Räume zu formulieren erfordert eine ganz neue Art des Denkens“, kommentiert Allyn Jackson in der Laudatio. „Denn diese Räume sind gewaltig und reichen über die üblichen finiten Bedingungen hinaus, die Mathematiker nutzen, um mathematische Objekte handhabbar zu machen.“

Mit den perfektoiden Räumen hat Scholze das Methodenspektrum der Arithmetischen Geometrie grundlegend erweitert, gleichzeitig werden neue Rückschlüsse auf offene zahlentheoretische Fragestellungen möglich. Dabei arbeitet der Mathematiker mit sogenannten p-adischen Zahlen. „Die p-adischen Zahlen in der Zahlentheorie entsprechen den Potenzreihen für Funktionen in der Analysis“, so Scholze. „Ich habe Methoden entwickelt, mit denen man diese p-adischen Zahlen geometrisch besser verstehen kann.“

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Die Fields-Medaille wird nur alle vier Jahre vergeben. © Stefan Zachow/ International Mathematical Union

„Lichtschalter umgelegt“

Jackson beschreibt in ihrer Laudatio die Bedeutung dieser Arbeit so. „Die Arbeit von Peter Scholze ist in einer Hinsicht radikal neu, sie repräsentiert aber auch eine enorme Expansion, Vereinheitlichung und Vereinfachung von Ideen, die schon greifbar waren“, erklärt sie. „Es ist, als wenn in einem halbdunklen Raum vorher nur ein paar Ecken beleuchtet waren und Scholzes Arbeit hat den Lichtschalter umgelegt. Jetzt sind alle Merkmale des Raums klar zu erkennen.“

Obwohl Scholze schon länger als Favorit für die Fields-Medaille galt, war die Freude groß: „In dem Moment, in dem ich die Nachricht bekam, war ich schon euphorisch. Obwohl – oder gerade weil – mir vorher von allen Seiten nahegelegt wurde, dass ich die Fields-Medaille ‚ja eh bekomme‘, war es doch eine große Überraschung und Freude, den Preis tatsächlich zu erhalten“, erzählt er. „Der Preis bedeutet mir eine große Anerkennung meiner Arbeit.“

Trotz dieser hohen Auszeichnung sieht sich der junge Forscher aber gerade erst am Anfang seiner Arbeit: „Mein Ziel ist es generell, mathematische Strukturen besser zu verstehen“, sagt er. „Und mit der mathematischen Forschung habe ich doch gerade erst angefangen.“

Alessio Figalli mit Seifenblasen – auch sie gehorchen dem Prinzip des optimalen Transports © ETH Zürich / Gian Marco Castelberg

Alessio Figalli: Lösungen für den optimalen Transport

Neben Peter Scholze haben drei weitere Preisträger die Fields-Medaille erhalten. Der 34-jährige Alessio Figalli von der ETH Zürich wurde für seine Beiträge zur Theorie des optimalen Transports ausgezeichnet. Im Kern geht es darum, die „Kosten“ eines Transports so gering wie möglich zu halten – ein Prinzip, das auch die Natur für viele Veränderungsvorgänge nutzt. Zum Beispiel erhalten Seifenblasen und Kristalle ihre schöne geometrische Form, indem sie ihre Oberflächenenergie minimieren.

Figallis Lösungen finden daher ganz praktische Anwendung beispielsweise in der Stadtplanung, Bildgebung oder Meteorologie. Mit ihrer Hilfe konnte der Mathematiker unter anderem die Formationsveränderungen von Wolken in Wetterfronten mathematisch beschreiben. Figalli ist überzeugt, dass Kreativität der Schlüssel ist, um neue Tools und Techniken entwerfen zu können, mit der man mathematische Fragestellungen lösen kann.

Venkatesh und Birkar: Algebraische Zahlentheorie und Geometrie

Ebenfalls unter den Preisträgern ist der 36-jährige indische Mathematiker Akshay Venkatesh. Er wurde für seine Arbeiten in der analytischen Zahlentheorie und Topologie ausgezeichnet. Darin hat er unter anderem das Konzept der homologischen Stabilität entwickelt, ein Konzept das es erlaubt, topologische Objekte auf neue Art zu beschreiben und mit der Zahlentheorie zu verknüpfen. Ähnlich wie Scholze beschäftigt sich auch Venkatesh mit Teilaspekten des Langlands-Programms, einer komplexen Sammlung von Theoremen und Verknüpfungen zwischen Zahlentheorie, Geometrie und Analysis.

Der 40-jährige Caucher Birkar wurde als Kind kurdischer Bauern im Iran geboren und kam nach seinem Studium in Teheran als Flüchtling nach Großbritannien. Er arbeitet auf dem Gebiet der algebraischen Geometrie – auch hier geht es um die Darstellung und Lösung polynomischer Gleichungen mit Hilfe der Geometrie. Er hat unter anderem einen neuen Beweis für eine spezielle Art solcher algebraischen Formen aufgestellt, die sogenannte Fano-Varietäten.

(Universität Bonn, International Mathematical Union, ETH Zürich, 02.08.2018 – NPO)

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