Schau mir in die Augen: Forscher haben ein Softwaresystem entwickelt, das anhand der Augenbewegungen eines Menschen auf dessen Persönlichkeit schließen kann. Nach einer entsprechenden Trainingsphase erkannte das Maschinengehirn die Ausprägung von Charakterzügen wie emotionale Labilität oder Verträglichkeit mit erstaunlicher Sicherheit. Fähigkeiten wie diese könnten die Zusammenarbeit zwischen Menschen und Computern in Zukunft erheblich erleichtern – machen uns aber auch ein Stück „gläserner“.
Blicke sind ein wichtiger Teil unserer Kommunikation. Mit unseren Augen stellen wir eine Verbindung zu unserem Gegenüber her, vermitteln unsere Stimmung, Absichten und noch viele weitere Dinge: „Augen sind das Fenster zu unserer Seele. Denn sie verraten, wer wir sind, wie wir uns fühlen und was wir machen“, sagt Andreas Bulling vom Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken.
Menschen können im Blick versteckte Informationen blitzschnell und nahezu automatisch deuten – und auch Hunde haben gelernt, solche subtilen Signale zu verstehen. Computern hingegen gelingt dies nicht. Dabei wäre diese Fähigkeit äußerst nützlich, damit Maschinengehirne und Menschen eines Tages sozial, flexibel und effizient zusammenarbeiten können.
Augen im Fokus
Aus diesem Grund haben Bulling und seine Kollegen nun einen Algorithmus in Sachen Blickanalyse trainiert. Die Wissenschaftler wollten ein Softwaresystem entwickeln, das anhand der Augenbewegungen einer Person auf deren Persönlichkeitsmerkmale schließt: Ist sie verletzlich, gesellig, verträglich, gewissenhaft oder neugierig?
Um die Daten für das Training zu erhalten, statteten sie 50 Studenten im Durchschnittsalter von 22 Jahren mit einem sogenannten „Eye Tracker“ aus. Dieser filmte die Augenbewegungen der Probanden, während sie über den Campus schlenderten und sich einen Kaffee oder andere Artikel im Campus-Laden kauften. Danach baten die Forscher die Studenten, die Brillen abzulegen und spezielle Fragebögen auszufüllen, um so auf herkömmliche Art und Weise deren Persönlichkeit und den Grad der Neugierde zu bestimmen.
Sicher erkannt?
Mit den Ergebnissen aus diesen Persönlichkeitstests und den aufgenommenen Augendaten wurde dann die Software trainiert. Wie hingen Faktoren wie Blickrichtungen und Blinzelraten mit der individuellen Ausprägung der zuvor evaluierten Charakterzüge zusammen? Dies lernte das System mithilfe spezieller Rechenverfahren des maschinellen Lernens.
Anschließend folgte der entscheidende Test: Würde der Computer ihm unbekanntes Material erfolgreich auswerten können? Es zeigte sich: Tatsächlich erkannte er anhand der Augenbewegungen Persönlichkeitsmerkmale wie emotionale Labilität, Geselligkeit, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit schon erstaunlich sicher, wie die Wissenschaftler berichten.
„Noch nicht gut genug“
Bis auf wenige Ausnahmen lagen die Trefferquoten demnach deutlich höher als die Zufallswahrscheinlichkeit. Für praktische Anwendungen sei ihr System bisher zwar noch nicht gut genug, schreibt das Forscherteam. Wird die Software künftig besser, könnte sich das jedoch schnell ändern.
„Das so gewonnene Wissen über nonverbales Verhalten können wir auch auf Roboter übertragen, sodass diese sich wie Menschen benehmen. Solche Systeme würden dann auf eine viel natürlichere Weise mit Menschen kommunizieren und wären dadurch effizienter und flexibler einsetzbar“, schließt Bulling.
Doch es gibt auch eine andere Seite der Medaille: Sind Maschinen eines Tages wirklich dazu in der Lage, automatisch unsere Persönlichkeit zu erkennen, werden wir dadurch wieder ein Stück „gläserner“. (Frontiers in Human Neuroscience, 2018; doi: 10.3389/fnhum.2018.00105)
(Universität des Saarlandes, 30.07.2018 – DAL)