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Geowissen

Skurril: Ein Vulkan „singt“

Schlot des Cotopaxi tönt wie eine riesige Orgelpfeife

Blick auf den Krater des Cotopaxi: Dieser Vulkan stieß nach seiner Euption einzigartige Infraschall-Töne aus. © American Geophysical Union

Orgelpfeife im Megamaßstab: Der Vulkan Cotopaxi in Ecuador ist das wahrscheinlich größte Musikinstrument der Erde. Denn seit seinem Ausbruch im Jahr 2015 gibt er einzigartige Töne von sich, wie Forscher berichten. Erzeugt wird dieser Infraschall durch Luft, die durch seinen Kraterschlot strömt wie durch eine gigantische Orgelpfeife. Das Spannende daran: Diese Töne verraten Geologen, wie es im Vulkanschlot aussieht – und das könnte auch beim zurzeit hochaktiven Kilauea relevant sein.

Der rund 60 Kilometer südöstlich von Quito gelegene Cotopaxi gilt als Risikovulkan. Denn wenn er ausbricht, gefährden Asche, Lava und der Schlamm des schmelzenden Gipfelgletschers mehr als 300.000 Menschen. Bei einem Ausbruch im Jahr 1877 raste eine Schlammlawine 300 Kilometer weit ins Tal hinab. Bei der letzten Eruption des Vulkans im Jahr 2015 blieb eine solche Katastrophe glücklicherweise aus: Zwar spie der Feuerberg Asche und Rauch und es gab eine Explosion im Gipfelkrater, der Gipfelgletscher jedoch blieb intakt.

Schwingende Töne aus dem Schlot

Doch dafür bemerkten Vulkanologen um Jeff Johnson von der Boise Statte University ein anderes seltsames Phänomen: Nach der Explosion im Krater begann der Cotopaxi, seltsame Töne von sich zu geben. Wegen ihrer extrem tiefen Frequenzen sind diese Infraschall-Töne nicht direkt hörbar, wurden aber von den Überwachungsinstrumenten aufgezeichnet.

Die Forscher tauften die etwa einmal am Tag auftretenden Töne „Tornillos“, nach dem spanischen Wort für Schraube. Bei einem solchen Tornillo gibt der Vulkankrater des Cotopaxi etwa 90 Sekunden lang oszillierende Töne mit abnehmender Intensität von sich. Johnson vergleicht dies mit der Schwingtür eines alten Westernsaloons: „Es ist, als wenn man eine solche Bartür öffnet und sie dann eineinhalb Minuten lang hin- und herschwingt“, so der Vulkanologe.

Es sei das erste Mal, dass solche tiefen, frequenzstabilen und stark nachhallenden Infraschalltöne bei einem Vulkan aufgezeichnet wurden. „Es ist erstaunlich, dass die Natur diese Art von Oszillationen hervorbringen kann“, sagt Johnson.

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Schwingungsmuster eines Tornillos, aufgezeichnet am Cotopaxi © Johnson et al./ American Geophysical Union

Größte Orgelpfeife der Welt

Doch wie entstehen diese seltsamen Töne? Wie die Forscher herausfanden, entstehen die Tornillos nicht einfach durch Luft, die über den Kraterrand streicht. Stattdessen sind im Kraterschlot aufsteigende Gase dafür entscheidend. Wie bei einer Orgelpfeife sorgt die spezielle Geometrie des Cotopaxi-Schlotes dafür, dass die Luft dadurch ins Schwingen gerät. „Es ist die größte Orgelpfeife, die man je gesehen hat“, so Johnson.

Das Spannende daran: Die Frequenz und Oszillation der Töne verrät viel über die Geometrie des Schlotinneren – und liefert Vulkanologen damit wertvolle Informationen über den Lavastand und die Aktivität des Feuerbergs. So konnten sie aus den Tönen des Cotopaxi schließen, dass sein Kraterschlot nach der Eruption 125 Meter breit und zwischen 270 und 320 Meter tief sein muss.

Wichtig auch am Kilauea

„Zu verstehen, wie jeder Vulkan ’spricht‘ ist entscheidend um zu verstehen, was in ihm vorgeht“, erklärt Johnson. „Wenn sich die Töne beispielsweise verändern, dann kann dies auf Veränderungen im Krater hindeuten.“ Zwar ist der Cotopaxi inzwischen wieder zur Ruhe gekommen und auch seine seltsamen Töne sind verstummt. Aber für andere Vulkane, wie dem Kilauea auf Hawaii, gilt dies nicht – und auch sie geben Infraschall von sich.

Am Kilauea könnte der Infraschall-„Gesang“ beispielsweise dabei helfen, die Tiefe des Lavasees im Krater genauer zu bestimmen, wie die Forscher erklären. „Es ist sehr wichtig für Wissenschaftler zu wissen, wie tief der Krater ist, ob das Magma-Niveau auf dem gleichen Stand bleibt und ob es mit dem Grundwasser interagiert“, erklärt David Fee, ein nicht an der Studie beteiligter Vulkanologe der University of Alaska. Für die Vulkanologen auf Hawaii bedeutet dies: Gut hinhören, wie der Feuerberg „singt“. (Geophysical Research Letters, 2018; doi: 10.1029/2018GL077766)

(American Geophysical Union, 18.06.2018 – NPO)

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