Erstaunliche Verwandlung: Forscher haben einen Weg gefunden, ein Seeigelskelett vom Strand in eines der vielversprechendsten Solarzellenmaterialen unserer Zeit zu konvertieren: Perovskit. Demnach können biogene Kalziumkarbonate durch den Austausch von Ionen in solche halbleitenden Kristallverbindungen umgewandelt werden – und zwar ohne ihre äußere Gestalt zu verlieren. Der Ansatz verspricht neben effizienteren und stabileren Solarzellen auch Anwendungsmöglichkeiten für die LED-Technologie.
Die Photovoltaik ist inzwischen eine der am schnellsten wachsenden erneuerbaren Energien weltweit. Um das Licht der Sonne zu „ernten“, werden traditionell Halbleiter-basierte Solarzellen aus Silizium genutzt. Doch seit einigen Jahren ist ein anderes Material in den Fokus von Forschern gerückt: Perovskit.
Strandgut als Ausgangsmaterial
Die Kristallstruktur dieser Verbindung ist besonders gut darin, Sonnenlicht in Strom umzuwandeln. Solarzellen auf Grundlage von Perovskit erreichen hohe Wirkungsgrade und sind darüber hinaus auch noch günstiger als die gängigen Modelle. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich Wissenschaftler auf der ganzen Welt für dieses „Wundermaterial“ interessieren. „Perovskit ist das Gold der Halbleiterforschung“, sagt Willem Noorduin vom Amolf-Institut in Amsterdam.
Ihm und seinen Kollegen um Erstautor Tim Holtus ist nun etwas Erstaunliches gelungen: Sie haben herausgefunden, wie sich das begehrte Solarzellenmaterial aus einem beinahe allgegenwärtigen Stoff herstellen lässt: aus Kalziumkarbonat. Solche Karbonatstrukturen kommen zum Beispiel in Kreide- und Kalkgesteinen vor, in Korallenriffen oder sogar angeschwemmt am Strand. Denn auch die Skelette von Seeigeln oder die sogenannten Schulpe von Tintenfischen sind aus Kalziumkarbonat gemacht.
Komplexer Ionenaustausch
Doch wie findet nun die Verwandlung statt? Um aus einem Seeigelskelett einen Halbleiter zu machen, muss die Kristallstruktur des Materials grundlegend verändert werden. In einem komplexen Reaktionsprozess tauschen die Forscher dafür nach und nach Ionen aus. Dabei findet zunächst ein Kationenaustausch statt: Die positiv geladenen Kalziumionen werden durch Bleiionen ersetzt.
In einem zweiten Schritt bringt das Team ein Halogenid, beispielsweise ein Chlorid, zum Einsatz. Dessen Ionen ersetzen die negativ geladenen Karbonationen im Material. Schließlich folgt Methylammonium – durch diese letzte Zutat verändert sich die Anordnung im Kristall und eine Perovskitstruktur entsteht. Der Vorgang klingt allerdings einfacher als er ist: „Die Reaktionsbedingungen wie die Konzentration und der pH-Wert müssen exakt stimmen, ansonsten zerfällt die Struktur sofort wieder“, sagt Noorduin.
Die Form bleibt
Das Besondere an der Methode der Forscher: Sie verändert die Zusammensetzung des Materials und macht es zum Halbleiter, ohne dass es seine Form verliert. Egal ob eine Helix oder eine korallenartige Gestalt – all diese Strukturen können in halbleitende Perovskite verwandelt werden und behalten dennoch ihre Morphologie bei, wie Experimente zeigten.
„Indem wir eine vorgegebene Struktur in einen funktionstüchtigen Perovskit konvertieren, haben wir die Kontrolle über die Form und die Funktion des Materials“, erklärt Noorduin. Nach Ansicht des Teams könnten auf diese Weise effizientere Solarzellen hergestellt werden – denn es ist nun möglich, die Form und Struktur der Zellen so zu verändern, dass sie mehr Sonnenlicht „ernten“.
Stabil und farbenfroh
Außerdem scheinen die neuen Perovskit-Halbleiter eine bessere Lebensdauer zu haben als heutige Solarzellen aus Perovskit: „Wir glauben, dass unsere Perovskit-Strukturen deutlich stabiler sind und Solarzellen aus diesem Material somit länger überdauern könnten“, so Noorduin.
Ein weiterer Vorteil: Durch die gezielte Auswahl der Ionenkomposition ist es den Wissenschaftlern möglich, Halbleiter in allen Farben des sichtbaren Lichtspektrums zu generieren. So erscheint Bleimethylammoniumchlorid blau. Wird das Chlorid durch Bromid ersetzt, entsteht dagegen eine grüne Farbe und mit Jodid wird das Material rot. „Das bedeutet, dass das Material auch für LEDs in allen möglichen Anwendungen genutzt werden könnte, zum Beispiel Bildschirmen“, sagt Noorduin.
Potenzial für die Zukunft
Grundsätzlich kann die Ionenaustauschmethode der Forscher in Zukunft auch auf andere Verbindungen übertragen werden, wie sie berichten. Neben Kalziumkarbonat eignen sich demnach etwa Barium- oder Strontiumkarbonat und wahrscheinlich Sulfate für die Reaktion.
Ginge es nach dem Forscherteam, werden so künftig nicht nur vielversprechende Halbleiter hergestellt, sondern auch andere Materialen. „Wir können den Ansatz darüber hinaus zum Beispiel für Materialien wie Katalysatoren anwenden“, schließen die Autoren. (Nature Chemistry, 2018; doi: 10.1038/s41557-018-0064-1)
(AMOLF, 07.06.2018 – DAL)