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Neurobiologie

Vitamin B3 gegen Parkinson?

Wirkstoff schützt Nervenzellen vor dem Absterben

Nervenzellen, die aus Stammzellen von Parkinsonpatienten entwickelt wurden: Offenbar kann ein Vitamin diese Zellen vor dem Tod bewahren. © Deleidi, 2018

Neuer Therapieansatz: Eine Form des Vitamins B3 könnte gegen die Neurodegeneration bei Parkinson helfen. Wie erste Tests mit menschlichen Zellen zeigen, scheint der Wirkstoff den defekten Energiestoffwechsel in betroffenen Hirnzellen wieder anzukurbeln – und sie dadurch vor dem Absterben zu schützen. Bei erkrankten Fliegen führte die Gabe des Vitamins dazu, dass die Tiere länger ihr Bewegungsvermögen behielten. Weiterführende Studien sollen das Potenzial dieses Ansatzes nun genauer erforschen.

Zittrige Hände, steife Muskeln und verlangsamte Bewegungen – das sind die typischen Symptome von Parkinson. Über sechs Millionen Menschen leiden weltweit an dieser zweithäufigsten neurodegenerativen Erkrankung nach Alzheimer. In Deutschland sind 220.000 Patienten betroffen.

Die eigentlichen Ursachen des Leidens sind nach wie vor unbekannt. Klar aber ist: Parkinson zeichnet sich durch ein fortschreitendes Absterben von Nervenzellen aus, insbesondere gehen dabei Dopamin-produzierende Neuronen in der sogenannten Substantia nigra im Mittelhirn zugrunde. Wissenschaftler suchen deshalb unter Hochdruck nach Wirkstoffen, die diese Neurodegeneration stoppen oder zumindest verlangsamen können.

Geschädigte Kraftwerke

Auf ein vielversprechendes Mittel könnten dabei nun Michela Deleidi von der Universität Tübingen und ihre Kollegen gestoßen sein. Sie hatten sich auf die Tatsache konzentriert, dass in den betroffenen Nervenzellen die Mitochondrien beschädigt sind – Zellbestandteile, die für die Energieproduktion verantwortlich sind. „Studien haben gezeigt, dass eine Form des Vitamins B3 bei gesunden Versuchspersonen den Energiestoffwechsel der Zellen ankurbelt“, sagt Deleidi. Wie würde sich das Vitamin auf kranke Zellen auswirken?

Um das herauszufinden, entnahmen die Forscher Zellen aus der Haut von Parkinsonpatienten und programmierten diese so um, dass sie sich zunächst zu Stammzellen und anschließend zu Nervenzellen weiterentwickelten. Auch in den so entstandenen Neuronen war die Funktion der Mitochondrien beeinträchtigt. Mithilfe der Vitamin-B3-Form Nicotinamid-Ribosid versuchte das Team nun, in diesen Zellen die Bildung neuer Mitochondrien anzuregen.

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Vor dem Zelltod geschützt

Wie erwartet, stieg durch die Gabe des Vitamins die Konzentration eines Coenzyms namens NAD in den Zellen an. Denn bei dem Nicotinamid-Ribosid handelt es sich um eine Vorstufe dieses Coenzyms, das bei der Bildung von Mitochondrien eine wichtige Rolle spielt. Tatsächlich hatte der NAD-Anstieg einen durchschlagenden Effekt, wie Deleidi berichtet: „Der Energiehaushalt in den Nervenzellen verbesserte sich stark. Es bildeten sich neue Mitochondrien und die Energieproduktion erhöhte sich.“ Als Folge waren die Zellen besser vor dem Absterben geschützt.

Doch wirkt sich der verbesserte Energiestoffwechsel wirklich auf die für Parkinson typischen Beschwerden aus? Das testeten die Wissenschaftler im Versuch mit Fliegen, die an einer genetisch mitbedingten Form der Erkrankung litten. Dafür reicherten sie das Futter der Insekten mit dem Vitamin an. Eine Kontrollgruppe bekam dieses Nahrungsergänzungsmittel nicht.

Weitere Studien nötig

Das Ergebnis: Bei den behandelten Fliegen starben nicht nur viel weniger Nervenzellen ab als bei den unbehandelten. Sie behielten darüber hinaus auch länger ihr Bewegungsvermögen und hatten weniger Probleme beim Laufen und Klettern, wie das Team berichtet. „Diese Ergebnisse legen nahe, dass der Verlust von Mitochondrien tatsächlich eine bedeutende Rolle bei der Entstehung von Parkinson spielt“, sagt Deleidi.

Nach Ansicht der Forscher könnte die Gabe von Nicotinamid-Ribosid ein vielversprechender neuer Therapieansatz sein. Doch ob das Vitamin Parkinsonpatienten wirklich helfen kann, können in Zukunft erst weitere Studien zeigen. (Cell Reports, 2018; doi: 10.1016/j.celrep.2018.05.009)

(Hertie-Institut für klinische Hirnforschung, 07.06.2018 – DAL)

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