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Biologie

Top Ten der Arten 2018

Forscher küren die spannendsten Neuentdeckungen des letzten Jahres

Dies sind nur vier der Top Ten der im letzten Jahr neuentdeckten Arten: Der Tapanuli-Orang-Utan, ein Höhlenkäfer, der Flohkrebs Epimeria quasimodo und der Beutellöwe Wakalea schouteni. © Andrew Walmsley, Sunbin Huang/ Mingyi Tian, Cédric d’Udekem d’Acoz/ Royal Belgian Institute of Natural Sciences, Peter Schouten

Ein Krebs namens Quasimodo, eine haarige Vulkanmikrobe und ein Fisch mit Tiefenrekord – sie alle gehören zu den Top Ten der im letzten Jahr neuentdeckten Arten. Sie repräsentieren die ungewöhnlichsten, bizarrsten oder spannendsten unter den rund 18.000 Neuentdeckungen der Biologen – und sie zeigen, wie genial und überraschend die Natur noch heute sein kann.

Obwohl wir Menschen inzwischen nahezu alle Lebensräume besiedelt haben, sind uns längst nicht alle Mitbewohner unseres Planeten bekannt – im Gegenteil. Jedes Jahr werden mehrere tausend zuvor unbekannter Spezies von Tieren, Pflanzen oder Mikroben neuentdeckt. Viele davon sogar in vermeintlich längst erkundeten Gebieten. „Ich bin immer wieder aufs Neue erstaunt, wie viele neue Arten auftauchen und welche Vielfalt die Neuentdeckungen haben“, sagt Quentin Wheeler, Gründungsdirektor des International Institute for Species Exploration (IISE).

Um auf die noch unerkannte Vielfalt unserer Natur aufmerksam zu machen, wählen Forscher des IISE jedes Jahr aus den Neuentdeckungen zehn Arten aus, die besonders bizarr, ungewöhnlich oder auch bedroht sind. In diesem Jahr standen rund 18.000 Spezies zur Auswahl, die im Laufe der letzten zwölf Monate entdeckt worden sind.

Er lebt im tiefsten Graben dces ozeans, dem Marianengraben: der Fisch Pseudoliparis swirei. © Mackenzie Gerringer/ University of Washington

Der tiefste Fisch des Ozeans

Der Fisch Pseudoliparis swirei ist ein echter Rekordhalter. Denn er lebt am tiefsten Ort unseres Planeten – im Marianengraben. Forscher entdeckten ihn dort in Tiefen von 6.898 bis 7.966 Metern – und damit nur knapp über der Wassertiefe, die als physiologische Grenze für Fische im Ozean gilt. Der gut elf Zentimeter lange Fisch ähnelt mit seinem dicken Kopf und dünnen Rumpf einer großen Kaulquappe und ist vermutlich der Top-Prädator in seinem Lebensraum.

Am eisigen Ende der Welt lebt dagegen der Flohkrebs Epimeria quasimodo. Er bekam seinen Namen, weil sein gewölbter, gepanzerter Rücken an den des buckeligen „Glöckners von Notre Dame“ erinnert. Biologen entdeckten diese Krebsart im Südpolarmeer vor der Küste der Antarktis. Er ist dort eine von gleich 26 neuentdeckten Spezies dieser Gattung Epimeria.

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Rätsel-Einzeller und Vulkanmikrobe

Eine weitere Neuentdeckung gibt Biologen bisher große Rätsel auf. Denn von dem Einzeller Ancoracysta twista ist weder bekannt, wo er heimisch ist noch, zu welcher Organismengruppe er gehört. Der Grund: Das winzige begeißelte Lebewesen wurde in einem kalifornischen Aquarium entdeckt und bisher nur dort nachgewiesen. Eine Genanalyse enthüllte zudem, dass dieses Wesen ungewöhnlich viele mitochondriale Gene besitzt – ein Indiz für eine Stellung weit unten im Eukaryotenstammbaum.

Ebenfalls ziemlich ungewöhnlich ist ein Bakterium, das Forscher am Untersee-Vulkan Tagoro vor der Kanaren-Insel El Hierro entdeckt haben. Denn diese Mikroben bildeten schon kurz nach dem Ausbruch des Vulkans ganze Matten weißlicher Haare, die bald den gesamten Vulkangipfel überdeckten. Spezielle Anpassungen ihres Stoffwechsels erlauben es diesen Bakterien offenbar, in diesem extremen Lebensraum zu überleben und zu gedeihen.

Ein Menschenaffe und ein Beutellöwe

Er ist die größte Spezies unter den Top Ten – und eine echte Sensation: Der Ende 2017 auf Sumatra identifizierte Tapanuli-Orang-Utan erhöht die Zahl der bekannten Menschenaffenarten auf sieben. Die Population dieser Orang-Utans ist jedoch stark bedroht: Es leben nur noch rund 800 Exemplare in einem isolierten und bereits stark fragmentierten Hügelgebiet.

Ebenfalls zu den großen unter den Top Ten gehört der Beutellöwe Wakaleo schouteni. Der hundegroße Raubbeutler lebte vor rund 25 Millionen Jahren in Australien. Er besaß scharfe Reißzähne und Klauen, fraß aber wahrscheinlich nicht nur Fleisch, sondern war ein Allesfresser. Interessant auch: Zur damaligen Zeit lebten damit mindestens zwei Beutellöwen-Arten gleichzeitig in Australien.

Die Blume Sciaphila sugimotoi bekommt ihre Nährstoffe von einem Pilz. © Takaomi Sugimoto

Pilzfreund und Tropenbaum

Auch bei den Pflanzen haben Biologen im letzten Jahr spannende Neuentdeckungen gemacht. Zu diesen gehört eine Blume, die sich nicht allein auf die Fotosynthese verlässt. Stattdessen lebt Sciaphila sugimotoi heterotroph und zehrt von den Nährstoffen eines Partners: Das rund zehn Zentimeter hohe, lilafarbene Gewächs lebt in Symbiose mit einem Pilz. Die ungewöhnliche Blumenart kommt nur an zwei kleinen Standorten auf der japanischen Insel Ishigaki vor.

Deutlich größer ist die neuentdeckte tropische Baumart Dinizia jueirana-facao. Sie kommt nur in einem Naturschutzgebiet im Norden der brasilianischen Provinz Espirito Santo vor. Forscher schätzen, dass es nur noch rund 25 Exemplare dieser Baumart gibt. Die bis zu 40 Meter hohen Bäume tragen längliche, verholzte Früchte von 50 Zentimetern Größe.

Höhlenkäfer und blinder Passagier

Die Käfer bilden eine der größten Gruppen der Insekten – und auch unter ihnen gibt es immer wieder Neuentdeckungen. Zu ihnen gehört der in Costa Rica vorkommende Nymphister kronaueri. Dieser nur rund 1,5 Millimeter kleine Käfer ist auf ein Leben unter wandernden Ameisen spezialisiert – und das auf besonders raffinierte Art. Der Käfer ist so geformt, dass er dem Hinterteil einer Ameise verblüffend ähnlich sieht. Geht sein Ameisenvolk auf Wanderschaft, beißt er sich an der Taille einer Ameise fest und tarnt sich als zweites Abdomen. Als blinder Passager lässt er sich dann zum neuen Nest tragen.

An ein Leben im Dauerdunkel einer Höhle angepasst ist dagegen die in China neuentdeckte Käferart Xuedytes bellus. Auffallend an dem rund neun Millimeter kleinen Käfer ist die extreme Verlängerung seines Kopfes und Vorderkörpers. Er gibt ihm fast das Aussehen einer Stabschrecke. In Anpassung an seinen Lebensraum hat der Käfer zudem seine Flügel und Augen reduziert.

(SUNY College of Environmental Science and Forestry, 23.05.2018 – NPO)

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