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Physik

Platz für neue Physik wird enger

Physiker ermitteln bisher genauesten Wert für die Schwache Kernkraft des Protons

Die Schwache Kernkraft bewirkt unter anderem die Umwandlung von Protonen in Neutronen - Prozesse, die beim radioaktiven Zerfall auftreten. © Podbregar

Beruhigend und enttäuschend zugleich: Physiker haben die Wirkung der Schwachen Kernkraft beim Proton so genau wie nie zuvor gemessen – in der Hoffnung, Indizien für eine „neue“ Physik jenseits des Standardmodells zu finden. Doch ihr Ergebnis stimmt sehr gut mit dem Standardmodell überein, wie sie im Fachmagazin „Nature“ berichten. Das schränkt die Existenz exotischer Teilchen oder gar einer fünften Grundkraft weiter ein.

Von den vier Grundkräften der Natur manifestieren sich zwei in für uns direkt messbarer und sogar spürbarer Form: der Elektromagnetismus und die Gravitation. Die Starke Kernkraft dagegen wirkt nur im Atommaßstab, sie hält die Quarks im Inneren der Atombausteine zusammen.

Schwer fassbare Grundkraft

Am wenigsten fassbar ist jedoch die Schwache Kernkraft. Obwohl sie so fundamentale Prozesse wie die Kernfusion im Sonneninneren und den radioaktiven Zerfall antreibt, ist sie nur schwer direkt messbar. Ein Grund dafür: Schwache Kernkraft und Elektromagnetismus sind eng miteinander verknüpft. Die schwachen Effekte der Kernkraft werden deshalb bei Messungen fast komplett durch die stärkere Wirkung des Elektromagnetismus maskiert.

Das Problem dabei: Gerade in dieser so schwer fassbaren Grundkraft könnten sich Indizien für eine „neue“ Physik verbergen – eine Physik, die über das Standardmodell der Teilchenphysik hinausgeht. Denn dieses kann einigen entscheidende Phänomene des Kosmos bisher nicht erklären, darunter die Dunkle Materie und Dunkle Energie, aber auch die Asymmetrie von Materie und Antimaterie.

Gestreute Elektronen verraten Kernkraft-Effekt

Um mögliche Diskrepanzen aufzudecken, haben nun Forscher der Q-weak-Kollaboration die Wirkung der Schwachen Kernkraft beim Proton so genau wie nie zuvor vermessen. Dafür nutzten sie einen an der Thomas Jefferson National Accelerator Facility in Newport erzeugten Strahl energiereicher, polarisierter Elektronen. Mit diesem beschossen sie Protonen in flüssigem Wasserstoff. Bei diesem Beschuss werden die Elektronen teilweise gestreut.

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Streuungsexperiment Q-weak im Jefferson Lab beim Einbau © Jefferson Lab

Der Clou dabei: Normalerweise müssten die Elektronen gleich häufig abgelenkt werden – ungeachtet ihrer Spinrichtung. Doch die Schwache Kernkraft führt dazu, dass diese Symmetrie gebrochen wird. „Linkshändige“ Elektronen werden dadurch häufiger gestreut als „rechtshändige“. Über die Stärke dieser Abweichung können Wissenschaftler daher die Stärke der Schwachen Kernkraft ermitteln. Genau dies ist nun den Physikern der Q-weak-Kollaboration gelungen.

Passt zum Standardmodell

Das Ergebnis: Tatsächlich werden Elektronen einer Polarisation häufiger vom Proton gestreut als ihre entgegengesetzt polarisierten Artgenossen. Konkret registrierte der Detektor eine Asymmetrie von 226,5 Partikel pro einer Milliarde gestreuter Teilchen. Auf Höhenwerte übertragen entspräche dies einer Abweichung zwischen dem Mount Everest und seinem fiktiven Zwillingspartner von nur zwei Millimetern.

Daraus ermittelten die Forscher einen Wert für die Schwache Kernkraft des Protons von 0,0719. „Unser Wert für die Schwache Kernladung des Protons ist damit in exzellenter Übereinstimmung mit dem Standardmodell „, konstatieren die Physiker. Dieser Wert könne nun dabei helfen, die Suche nach möglicher neuer Physik oder gar einer fünften Grundkraft weiter einzugrenzen. „Denn es gibt reichlich Hinweise darauf, dass das Standardmodell ein unvollständiges Bild liefert“, kommentiert Timothy Hallman, Wissenschaftler am US-Energieministerium. Messungen wie Q-weak können zeigen, wo sich eine Suche lohnt.

Suchgebiet für neue Physik eingegrenzt

Konkret bedeutet dies: Wenn es exotische Kräfte oder Wechselwirkungen gibt, dann müssen sie sich bei Teilchenenergien oberhalb von mehreren Teraelektronenvolt (TeV) verstecken – und damit an der oberen Leistungsgrenze des stärksten Teilchenbeschleunigers der Welt, dem Large Hadron Collider (LHC) am CERN.

„Wenn sie am LHC künftig Belege für eine neue Physik entdecken, dann können wir mithilfe unserer Messungen dabei helfen zu identifizieren, worum es sich dabei handeln könnte“, sagt Greg Smith, Projektmanager des Q-weak-Projekts. (Nature, 2018; doi: 10.1038/s41586-018-0096-0)

(Jefferson Lab / Nature, 14.05.2018 – NPO)

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