Nach 40 Jahren endlich nachgewiesen: Forscher haben gigantische wirbelförmige Wellen auf unserer Sonne entdeckt – ein Gegenstück zu den wetterprägenden Rossby-Wellen in der Erdatmosphäre. Dass solche riesigen mäandrierenden Strömungen auch auf unserem Stern existieren, vermuten Astronomen schon lange. Aber erst jetzt ist es gelungen, mithilfe der Langzeitdaten eines NASA-Sonnenobservatoriums, diese subtilen, langlebigen Plasmabewegungen nachzuweisen.
Die sogenannten Rossby-Wellen sind auf fast jeder Wetterkarte der Nordhalbkugel zu erkennen: Sie bilden gewaltige Mäander im Jetstream, dem planetenumspannenden Windband, das kalte und warme Luftmassen voneinander trennt. Die Lage und Bewegung dieser Wellen bestimmen das Wetter in Europa und andere Regionen der nördlichen Halbkugel – und können Wetterextreme fördern.
Schwierige Fahndung
Doch Rossby-Wellen sind keine Erscheinung nur der Erdatmosphäre: Auch im flüssigen Erdkern und auf anderen Planeten wie dem Saturn gibt es Strömungen, denen diese planetaren Wellen zugrunde liegen. Der Theorie nach müssten Rossby -Wellen sogar bei allen rotierenden, fluiden Systemen auftreten.
Kein Wunder, dass Astronomen schon vor 40 Jahren vermuteten, dass auch Sterne wie die Sonne solche Wellen besitzen könnten. Nachweisen ließen sich solare Rossby-Wellen jedoch bisher nicht. Einer der Gründe dafür: Solare Rossby-Wellen haben sehr kleine Amplituden und verändern sich nur schleichend im Verlauf mehrerer Monate, sodass sie extrem schwer zu erkennen sind.
Verräterische Wirbelmuster
Jetzt jedoch ist Forschern um Björn Löptien vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen dieser Nachweis endlich gelungen. Sie hatten dafür sechs Jahre an Daten des Solar Dynamics Observatory (SDO) ausgewertet, einem Satelliten, der die Struktur und Bewegung der Photosphäre der Sonne im Detail beobachtet. Seine Auflösung ist hoch genug, um die Bewegung der Granulen zu zeigen – 1.500 Kilometer großer Konvektionszellen, die bis zu 100 Kilometer tief in die Sonnenoberfläche hineinreichen.
Die Daten enthüllten ein verräterisches Muster: Die Wirbelstärken und Bewegungsgeschwindigkeiten der Granulen sind nicht zufällig verteilt, sondern bilden wechselnde Regionen stärkerer und schwächerer Intensität, wie die Forscher berichten. Dies sei ein Indiz für zugrundeliegende, viel größere Wellen. „Wir finden auf der Sonne große wirbelförmige Wellen, die sich entgegen der Rotation bewegen“, erklärt Löptiens Kollege Laurent Gizon.
Es gibt sie doch!
Doch handelte es sich bei diesen Riesenwellen um die lange gesuchten Rossby-Wellen? Um das zu klären, analysierten die Forscher die Frequenzen und Wellenlängen sowie die Ausbreitungsrichtung dieser Wellen. Es zeigte sich: „Die Frequenzen dieser Wellen stimmen bis auf wenige Nanohertz mit den klassischen Wellenfrequenzen der Rossby-Wellen überein“, so die Wissenschaftler. „Das deutet darauf hin, dass Rossby-Wellen tatsächlich eine signifikante Komponente der solaren Dynamik sind.“
Demnach existieren Rossby-Wellen nicht nur auf Planeten, sondern auch auf der Sonne – und womöglich weiteren Sternen. Diese Riesenwellen durchziehen das solare Plasma und erreichen dabei fast den Maßstab des Sonnenradius. Ihre Frequenz entspricht knapp dem doppelten der Sonnenrotation, wie die Forscher berichten.
Das Spannende daran: Die Existenz der Rossby-Wellen könnte ein Rätsel lösen, an dem Sonnenforscher schon länger knabbern. Denn Messungen zeigen, dass die großräumigen Wirbelströmungen im Sonneninneren schwächer sind als man erwarten würde. Das aber deutet darauf hin, dass irgendetwas diesen Strömungen Energie entzieht. Ein möglicher Kandidat für diesen „Energiedieb“ wären die Rossby-Wellen, wie Löptien und seine Kollegen erklären. (Nature Astronomy, 2018; doi: 10.1038/s41550-018-0460-x)
(Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, 09.05.2018 – NPO)