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Medizin

Hepatitis B: Schleichende Durchseuchung

Selbst in Deutschland wird nur gut ein Viertel der Betroffenen diagnostiziert

Hepatitis B- Viren: Weil eine Infektion meist unbemerkt verläuft, ist der Anteil der unwissentlich Infizierten selbst bei uns hoch. © CDC

Verborgene Epidemie: Weltweit sind rund 300 Millionen Menschen mit Hepatitis B infiziert – bis zu 90 Prozent davon ohne es zu wissen. Das ist das Ergebnis einer neuen weltweiten Erhebung. Selbst in Europa sind dadurch tausende Menschen von einer schleichenden Leberzerstörung und Leberkrebs bedroht. Allein in Deutschland werden nur gut ein Viertel der Betroffenen diagnostiziert und behandelt, wie die Forscher berichten.

Hepatitis B ist ein schleichender Zerstörer: Eine Infektion mit diesem hochansteckenden Virus bleibt meist unbemerkt, weil dies keine klaren Symptome auslöst – die klassische „Gelbsucht“ bleibt aus. Stattdessen wird der Virenbefall chronisch und kann im Laufe von Jahrzehnten die Leber schwer schädigen. Die Betroffenen erkranken an Leberzirrhose und Leberkrebs, jährlich sterben daran weltweit rund 600.000 Menschen.

Wie hoch die Infektionsrate und Dunkelziffer bei Hepatitis B in den verschiedenen Ländern ist, haben nun Wissenschaftler der Polaris Observatory Collaboration in den USA näher untersucht. Für ihre Studie werteten sie Daten und Veröffentlichungen zu 120 Ländern aus und ermittelten dabei auch die Impfrate. Denn gegen Hepatitis B existiert eine wirksame dreiteilige Schutzimpfung, die im Kleinkindalter verabreicht wird. Eine erste Gabe von Immunglobulinen direkt nach der Geburt kann zudem eine Ansteckung durch die Mutter verhindern.

Dunkelziffer bei 90 Prozent

Das Ergebnis: Weltweit sind rund 292 Millionen Menschen mit Hepatitis B infiziert. Das entspricht im Mittel einem Anteil von 3,9 Prozent der Bevölkerung. Am häufigsten ist die virale Erkrankung in Ostasien und dem südlichen Afrika, wie die Forscher berichten. China, Indien, Nigeria, Indonesien und die Philippinen zusammen machen 57 Prozent aller Infektionen aus. In Europa sind dagegen dank konsequenterer Impfung meist weniger als ein Prozent der Bevölkerung betroffen.

Die Dunkelziffer jedoch ist weltweit sehr hoch – auch in den Industrieländern: „Von den Hepatitis-B-Infektionen sind nur 29 Millionen diagnostiziert und nur 4,8 Millionen derjenigen, die behandelt werden könnte, bekommen eine antivirale Therapie“, berichten die Forscher. Das bedeutet: Im Durchschnitt 90 Prozent der mit Hepatitis B Infizierten wissen nichts von ihrer Erkrankung – und können sich daher auch nicht vor den Folgen schützen.

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Impfung gegen Hepatitis B bei einem neun Monate alten Kleinkind. © Jim Gathany/ CDC

Deutschland: Nur gut ein Viertel weiß Bescheid

In Deutschland wurden im Jahr 2016 nur 28 Prozent der Infizierten diagnostiziert und nur 29 Prozent von ihnen erhielten eine entsprechende Therapie, wie die Forscher berichten. Rund 88 Prozent der Kleinkinder erhalten bei uns die dreiteilige Schutzimpfung. Damit liegt die Impfrate nur noch knapp unter dem Ziel der Weltgesundheitsorganisation WHO von 90 Prozent Kinderimpfung bis 2020.

Insgesamt ist die Dunkelziffer selbst innerhalb Europas sehr unterschiedlich. So liegt die Diagnoserate in Frankreich und Großbritannien bei rund 20 Prozent, bei unseren Nachbarn Dänemark und den Niederlanden werden dagegen mehr als die Hälfte der Infektionen erkannt. Besonders hoch ist die Dunkelziffer dagegen in Portugal, Norwegen und weiten Teilen des Balkan: Hier wissen weniger als zehn Prozent der Infizierten von ihrer Erkrankung, wie die Forscher berichten.

Erfolg in China, Rückschlag in Syrien

Immerhin: Es gibt positive Entwicklungen. Insgesamt ist die Zahl der mit Hepatitis-B infizierten Menschen in den letzten Jahren weltweit zurückgegangen. In einigen Ländern mit hoher Durchseuchungsrate wie China haben neue Impfprogramme dafür gesorgt, dass deutlich weniger Kinder als zuvor mit dem Virus infiziert sind. Dennoch werde das Ziel der WHO, Hepatitis B bis zum Jahr 2030 auszurotten, verfehlt, wenn nicht mehr getan werde, so die Wissenschaftler.

Rückschläge gibt es vor allem dort, wo Konflikte oder Katastrophen die Impfungen unterbrechen – wie beispielsweise in Syrien. „Seit Beginn des Impfprogramms im Jahr 1992 wurden dort nahezu alle Kleinkinder und viele Neugeborene gegen Hepatitis B geimpft“, berichten die Forscher. Mit Beginn des Bürgerkriegs jedoch änderte sich dies. 2016 wurden weniger als ein Prozent der Erkrankten behandelt und auch die Impfraten sind deutlich gesunken.

„Wir haben alle nötigen Werkzeuge, um HBV zu eliminieren“, sagt Forschungsleiter Homie Razavi von der Center of Disease Analysis Foundation in Lafayette. „Aber wir müssen unsere Anstrengungen in nahezu allen Bereichen verstärken.“ (The Lancet, 2018; doi: 10.1016/S2468-1253(18)30056-6)

(The Lancet, 27.03.2018 – NPO)

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