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Geowissen

Deutschlands erste Eiszeit datiert

Vereisung der Elster-Kaltzeit begann 100.000 Jahre früher als bisher angenommen

Einst waren große Teile Deutschands von kilometerdickem Eis bedeckt. Wann jedoch die erste Kaltzeit stattfand, war bisher unklar. © Onkofocus/ iStock.com

Früher als gedacht: Vor rund 450.000 Jahren waren weite Teile unseres Landes mit kilometerdickem Eis bedeckt. Damals erlebte Deutschland seine erste große Eiszeit – rund 100.000 Jahre früher als bisher angenommen, wie neue Datierungen belegen. Das Spannende daran: Diese Kaltzeit prägte nicht nur die Landschaft und Natur, sie beeinflusste auch die Menschheitsgeschichte in dieser Region. Denn als die Gletscher vor rund 400.000 Jahren wieder wichen, kamen auch die ersten Menschen.

In den letzten rund zwei Millionen Jahren hat das Gebiet des heutigen Deutschland immer wieder Kaltzeiten erlebt. Gletscher aus dem Norden rückten dabei bis weit nach Mitteleuropa vor. Vor allem Norddeutschland war damals zeitweilig von hunderte Meter dicken Eisschichten bedeckt. Das Vorrücken dieser Gletscher und auch ihr Rückzug haben nicht nur unsere Landschaft nachhaltig geprägt – auch die Geschichte der ersten Menschen in dieser Region wurde vom Eis beeinflusst.

Wann war die Elster-Kaltzeit?

Doch wann erlebte Deutschland seine erste echte Eiszeit? Klar ist: „Die Elster-Kaltzeit war der erste und südlichste Vorstoß der fennoskandischen Eisschilde auf den europäischen Kontinent“, erklären Tobias Lauer und Marcel Weiss vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Wann die Elster-Kaltzeit jedoch begann, war bisher unklar.

Das Problem: Zwar gibt es Spuren des Gletschervorstoßes in der Nordsee, die auf eine Vereisung bereits vor 478.000 Jahren hindeuten. Aber ob diese Gletscher auch schon bis nach Mitteleuropa vorrückten, ließ sich nicht feststellen – es fehlte schlicht an datierbaren Relikten. Die meisten Forscher gingen daher davon aus, dass der Höhepunkt der Vereisung in Deutschland erst vor rund 350.000 Jahren stattfand.

Ein Findling in der Kiesgrube Rehbach in Sachsen. Er wurde vor etwa 450.000 Jahren von den Eiszeit-Gletschern dorthin transportiert. © MPI für evolutionäre Anthropologie

Belege im Flusssediment

Jetzt jedoch haben Bauer und Weiss genau solche prähistorischen Eisspuren in Mitteldeutschland entdeckt. Das eiszeitliche Schmelzwasser hat rund um die Saale und die Weiße Elster Sedimente hinterlassen, anhand derer sich der Vorstoß und Rückzug der Gletscher rekonstruieren lässt. „Die mitteldeutschen Quartärsedimente sind für uns nahezu perfekte Archive“, sagt Lauer. Er und sein Kollege haben das Alter dieser Sedimente mithilfe der Lumineszenz-Datierung bestimmt. Sie verrät, wann Mineralien zuletzt an der Oberfläche lagen.

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Das Ergebnis: Die Elster-Kaltzeit begann in Deutschland früher als bisher gedacht. Denn wie die Datierung ergab, hatten die Gletscher bereits vor 450.000 Jahren das Gebiet des heutigen Sachsen und Thüringen erreicht. „Damit war diese Region schon rund 100.000 Jahre früher mit kilometerdickem Eis bedeckt als bisher angenommen“, sagt Lauer.

Die Menschen kamen, sobald das Eis wich

Doch was bedeutet dies für die ersten Menschen dieser Region? Um das herauszufinden, haben Lauer und Weiss archäologische Funde aus den Kiesgruben von Wallendorf und Schladebach in Sachsen-Anhalt untersucht. Dort wurden mehr als 6.000 Reste von Steinwerkzeugen entdeckt, die aus der Alt- und Mittelsteinzeit stammen.

Diesen etwa 400.000 Jahre alte Schaber haben die Wissenschaftler im Kieswerk Schladebach in Sachsen-Anhalt geborgen. © MPI für evolutionäre Anthropologie

Es zeigte sich: Einige dieser Artefakte gehören zu den ältesten Menschheitsspuren in ganz Europa – und zu den ältesten direkt datierten in dieser Region Deutschland. „Die ersten Spuren der altsteinzeitlichen Besiedlung dieses Gebiets durch Menschen reichen bis etwa 400.000 Jahre zurück“, berichtet Weiss. „Diese Besiedlung fand demnach höchstwahrscheinlich während der Warmzeit statt, die der ersten großen Vergletscherung folgte.“

„Unsere Daten werden einen großen Einfluss auf das Verständnis der zeitlichen Abläufe von Eiszeitzyklen und Klimaveränderungen im eiszeitlichen Europa haben“, sagen die Forscher. „Die erste große Vergletscherung hatte riesige Auswirkungen auf die Umwelt und veränderte die gesamte Landschaft. Das neu ermittelte Alter der Funde aus der älteren und mittleren Altsteinzeit wird uns zukünftig dabei helfen zu rekonstruieren, wie die Menschen Mitteldeutschland und Mitteleuropa nach diesen großen Klimaereignissen besiedelt oder wieder besiedelt haben.“ (Scientific Reports, 2018; doi: 10.1038/s41598-018-23541-w)

(Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, 26.03.2018 – NPO)

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