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Evolution

Warum pflanzen wir uns durch Sex fort?

Geschlechtliche Fortpflanzung dient der DNA-Reparatur

Welchen Nutzen hat Sex? © Grinvalds/ iStock.com

Sex als Schutzmechanismus: Fast alle höheren Lebewesen pflanzen sich durch Sex fort – obwohl diese Form der Vermehrung aus evolutionsbiologischer Sicht durchaus Nachteile hat. Forscher liefern nun eine mögliche Erklärung für dieses Paradox: Ihnen zufolge entstand Sex als Folge der Erfindung der Sauerstoffatmung. Denn damit waren eukaryotische Zellen plötzlich mit gefährlichen Sauerstoffradikalen konfrontiert. Zum Schutz vor Schäden musste eine effiziente DNA-Reparatur her – und die ermöglichte der Sex.

Der Mensch tut es, viele Tiere tun es, ja nahezu alle höheren Lebewesen tun es: Sie pflanzen sich durch Sex fort. Bei diesem Prozess verschmelzen die Keimzellen zweier Elternteile miteinander und damit auch deren Erbgut. Diese Rekombination führt dazu, dass sich die Zellen der Nachkommen genetisch von denen der Eltern unterscheiden – es entsteht eine neue Mischung.

Was bringt Sex?

Doch warum hat sich das Prinzip der sexuellen Fortpflanzung im Laufe der Evolution überhaupt durchgesetzt? Langfristig kann die Rekombination von Genen zwar die Anpassung einer Art an sich ändernde Bedingungen erleichtern. Doch im Vergleich zur ungeschlechtlichen Vermehrung hat sie auch einige Nachteile. Zum Beispiel besteht das Risiko, dass bei der Bildung der Keimzellen im Zuge der Meiose bewährte Genkombinationen zugunsten weniger optimalen Varianten verlorengehen.

Außerdem ist es zeit- und energieaufwändig, einen Partner für die Reproduktion zu finden. Doch dieser ist – außer bei der Selbstbefruchtung – für Sex nun einmal nötig.

Erklärung für ein Paradox

Elvira Hörandl von der Universität Göttingen und ihre Kollegen liefern nun eine mögliche Erklärung für dieses sogenannte „Paradox of Sex“. Sie glauben: Der Weg für die Entwicklung der geschlechtlichen Fortpflanzung wurde geebnet, als die ersten Lebewesen mit Zellkern vor rund zwei Milliarden Jahren die Sauerstoffatmung erfanden.

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Damit stand den Eukaryoten zwar mehr Energie zur Verfügung. Gleichzeitig entstanden als Nebenprodukt der Zellatmung in den Mitochondrien aber auch Sauerstoffradikale – und damit eine potenzielle Gefahrenquelle. Denn in hohen Konzentrationen können diese Radikale zu oxidativem Stress führen und den Zellen schaden. Auch DNA-Schäden und Mutationen treten dadurch vermehrt auf.

Meiose bei Zellen einer Lilienpflanze © Josef Reischig/ CC-by-sa 3.0

Effizienter Reparaturmechanismus

Insbesondere in physiologischen Ausnahmesituationen reichten die normalen Schutzmechanismen der Zellen dann womöglich nicht mehr aus. Es musste ein zusätzlicher Schutz her, so die Hypothese der Wissenschaftler. Als Folge könnte sich die Meiose als besonders effizienter DNA-Reparaturmechanismus entwickelt haben. Denn bei dieser Halbierung des Chromosomensatzes können schädliche Mutationen beseitigt werden – zumindest einige Keimzellen bekommen diese mutierten Gene nicht mehr.

„Diese ersten Zyklen sexueller Fortpflanzung entstanden bereits in den ersten einzelligen Eukaryoten“, sagt Hörandl. In multizellulären komplexen Organismen, beispielsweise Tieren, Pflanzen oder Pilzen, etablierte sich Sex dann als Erneuerungsprozess für Keimbahnzellen, der auch nachteilige Mutationen selektiv eliminieren kann. Damit kann die Integrität des Genoms in der Keimbahn über viele Generationen hinweg gewährleistet werden.

„Physiologische Notwendigkeit“

„Zahlreiche genomische, karyologische und biochemische Untersuchungen der vergangenen Jahre unterstützen diese Hypothese“, konstatiert Hörandl. „Sex ist also eine physiologische Notwendigkeit, als Folge eines sauerstoffbasierten Stoffwechsels bei allen höheren Organismen“, schließt die Forscherin. (Proceedings of the Royal Society B, 2018; doi: 10.1098/rspb.2017.2706)

(Georg-August-Universität Göttingen, 12.02.2018 – DAL)

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