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Paläontologie

Bernstein: Spinne mit Schwanz entdeckt

Fossil mit ungewöhnlicher Merkmalskombination gibt Paläontologen Rätsel auf

Chimerarachne yingi: eine Kreidezeit-Spinne mit langem Geißelschwanz. © Bo Wang

Rätselhaftes Zwitterwesen: Paläontologen haben in Bernstein aus der Kreidezeit eine Spinne mit Schwanz entdeckt. Das winzige Fossil besitzt einerseits alle Merkmale der modernen Webspinnen inklusive der Spinndrüsen, trägt aber andererseits noch eine lange, gegliederte Schwanzgeißel. Diese ungewöhnliche Merkmalskombination lässt die Forscher nun darüber streiten, wo im Spinnenstammbaum dieses Tier einzuordnen ist.

Ob winzige Kugelspinne, perfekt getarnte Krabbenspinne oder pelzige Vogelspinne – Spinnen bilden eine enorm vielfältige Gruppe der Arachniden. Drei Dinge aber haben sie alle gemeinsam: Im Gegensatz zu den mit ihnen verwandten Skorpionen und Geißelspinnen fehlt ihnen ein Schwanz, die Segmente ihres Hinterleibs sind miteinander verschmolzen und sie besitzen Spinndüsen – die Organe, mit denen sie die Fäden ihrer Spinnseide ausscheiden.

Geschwänzte Spinnen im Bernstein

Jetzt jedoch haben Paläontologen Spinnenfossilien entdeckt, die bisherige Annahmen über die Evolution dieser Tiere über den Haufen werfen. Es handelt sich um winzige, nur 2,5 Millimeter kleine Spinnentiere, in 100 Millionen Jahre alten Stücken burmesischen Bernsteins eingeschlossen sind. Diese Spinnen stammen damit aus der Kreidezeit, einer Epoche, in der es bereits viele Vorfahren der heutigen Spinnenarten gab.

Das Spannende jedoch: Die jetzt im Bernstein entdeckte Spinnenart ähnelt in fast allem einer typischen Spinne, besitzt aber noch einen Schwanz. Das geißelartige Körperanhängsel ist fast drei Millimeter lang und entspringt dem noch in Segmente gegliederten Hinterleib. Möglicherweise nutzte die Spinne diesen Schwanz ähnlich wie Insekten ihre Antennen als Sinnesorgan, spekulieren die Paläontologen.

Das Rätselhafte ist die gleichzeitige Präsenz von modernen Spinndrüsen und urtümlichem Geißelschwanz © University of Kansas

Verblüffende Mischung von Merkmalen

Das noch junge Alter und die Kombination von Schwanz und echten Spinndüsen macht diese Fossilien einzigartig, wie die Forscher erklären. Denn bisher galt ein solcher Geißelschwanz bei Spinnen als ursprüngliches Merkmal, dass lange vor der Entwicklung der Spinndrüsen verloren ging. So besaßen die vor rund 290 Millionen Jahren entstandenen Uraraneiden einen Schwanz, aber noch keine Spinndrüsen.

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„Deshalb ist diese neue Spinnenart so spannend – es scheint sich hier um eine Zwischenform zu handeln“, erklärt Koautor Paul Selden von der University of Kansas. „Diese Spinnenart liegt zwischen den älteren Formen, die noch keine Spinndrüsen besaßen und den modernen

Webspinnen, die ihren Schwanz verloren haben.“ Wegen ihrer ungewöhnlichen Merkmalskombination tauften die Forscher die neue Spinnenart Chimerarachne yingi – nach den mythischen Chimären der griechischen Mythologie.

Wo diesess seltsame Mischwesen im Stammbaum hingehört, ist noch umstritten. © Bo Wang

Echte Webspinne oder urtümliche Reliktform?

Noch völlig unklar ist, wo diese neue „Chimäre“ im Spinnenstammbaum hingehört. War sie eine echte Spinne, die nur ungewöhnlich lange den urtümlichen Schwanz behalten hatte? Oder handelt es sich um einen späten Abkömmling der primitiveren Uraraneiden, der parallel zu den echten Spinnen Spinndrüsen entwickelte?

In dieser Frage sind sich die Paläontologen bisher uneins. Selden und seine Kollegen sehen in der Chimarachne eine frühe Form der modernen Webspinnen. Ihre Ansicht nach gab es demnach mindestens bis in die Kreidezeit hinein eine Stammeslinie von geschwänzten Spinnenarten. Gonzalo Giribet von der Harvard University und sein Team halten Chimarachne dagegen eher für eine Vertreterin der Uraraneidae – der urtümlicheren Vettern der echten Webspinnen.

Gibt es sie noch heute?

Spannend auch: Zumindest einige der Forscher schließen nicht aus, dass es sogar heute noch geschwänzte Webspinnen geben könnte: „Durch die Bernsteinfunde wissen wir, dass es in der Kreidezeit einen artenreichen Tropenwald mit vielen Arachnidenarten in Myanmar gab“, sagt Selden. „Es würde mich nicht wundern, wenn einige dieser urzeitlichen Spinnenarten sogar bis heute dort vorkommen würden. Noch haben wir sie zwar nicht entdeckt, aber diese Spinnen sind winzig und viele der Wälder dort sind bisher kaum erforscht.“ (Nature Ecology & Evolution, 2018; doi: 10.1038/s41559-017-0449-3, doi: 10.1038/s41559-018-0475-9)

(University of Kansas, 06.02.2018 – NPO)

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