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Biologie

Auch Ratten betreiben Tauschhandel

Wie die Primaten vergelten Ratten Gutes mit unterschiedlichen Gefälligkeiten

Diese Ratte hilft ihrer Artgenossin, das Nackenfell von juckendem Salzwasser zu befrieen - im Austausch gegen Futterbeschaffung. © Universität Bern

Von wegen „fiese Ratte“: Ratten vergelten nicht nur Gleiches mit Gleichem, sie kennen sogar eine Art Tauschhandel: Bekommen sie von einem Artgenossen Futter, dann revanchieren sie sich mit einer Extraportion Fellpflege und umgekehrt. Dieser kognitiv anspruchsvollere Austausch unterschiedlicher Gefälligkeiten und Waren galt bisher als Domäne des Menschen und allenfalls noch von Primaten. Doch wieder einmal belehren uns die schlauen Ratten eines Besseren.

„Wie Du mir, so ich Dir“ – dieses Prinzip prägt nicht nur die Kooperation unter uns Menschen, sie findet sich auch im Tierreich. So betreiben viele Tiere gegenseitige Fellpflege oder teilen ihr Futter. Schimpansen belohnen uneigennütziges Verhalten von Artgenossen, indem sie mit diesen teilen und Bonobos helfen sogar Fremden. Auch Ratten handeln nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit.

Tauschhandel der Gefälligkeiten

Unklar war aber bis jetzt, in welchem Maße Nichtprimaten dabei unterschiedliche Gefälligkeiten gegeneinander abwägen – beispielsweise Hilfe bei der Futterbeschaffung gegen Fellpflege oder Unterstützung im Kampf gegen Futter. „Ein solcher Austausch unterschiedlicher Leistungen galt bisher als kognitiv anspruchsvoll und daher als Domäne der Primaten“, erklären Manon Schweinfurth und Michael Taborsky von der Universität Bern.

Ob auch Ratten diesen Tauschhandel der Gefälligkeiten beherrschen, haben die Forscher nun in einem Experiment getestet. Darin konnten Wanderratten zunächst entscheiden, ob sie einer anderen Ratte helfen – indem sie ihr Futter beschafften oder aber ihr lästiges Salzwasser vom Nackenfell putzten. Anschließend bekam die Empfängerratte die Chance, sich zu revanchieren – aber nicht indem sie Gleiches mit Gleichem vergalt. Stattdessen konnte sie ihrem Helfer bei der Futterbeschaffung mit Fellpflege danken oder aber der Ratte, die zuvor sie geputzt hatte, nun Futter anbieten.

Die rechte Ratte beschafft ihrer Artgenossin Futter - eine Gefälligkeit. © Universität Bern

Fellpflege für Futter und umgekehrt

Das Experiment enthüllte: Auch Ratten beherrschen diesen vermeintlich anspruchsvollen Tauschhandel mit Gefälligkeiten. Wurden sie zuvor von einem Artgenossen mit Futter versorgt, revanchierten sie sich bereitwillig mit Fellpflege. Wurde ihnen vorher geholfen, das unliebsame Salzwasser aus dem Fell zu bekommen, bezahlten sie gerne mit einem Leckerbissen. Dabei halfen sie umso bereitwilliger, je kooperativer ihr Partner zuvor ihnen gegenüber gewesen war.

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Ratten vergelten demnach nicht nur Gleiches mit Gleichem, sie übertragen die Kooperation auch auf andere Gefälligkeiten. „Diese Fähigkeit ist demnach nicht auf Primaten beschränkt, sondern muss sich schon viel früher in der Evolution der Wirbeltiere entwickelt haben“, konstatieren Schweinfurth und Taborsky. „Der reziproke Austausch von verschiedenen Gefälligkeiten und Waren könnte daher im Tierreich deutlich weiter verbreitet sein als bisher angenommen.“

Besser als ihr Ruf

Gleichzeitig belegt dieses Experiment erneut, dass Ratten ihren eher schlechten Ruf nicht verdient haben. Denn diese Nagetiere sind uns in vielem ähnlicher als man lange glauben wollte. So zeigen Studien beispielsweise, dass Ratten an der Mimik ihrer Artgenossen erkennen, ob diese unter Schmerzen leiden. Sie planen für die Zukunft voraus und können sogar so etwas wie Reue empfinden. (Nature Communications, 2018; doi: 10.1038/s41467-017-02650-6)

(Universität Bern, 02.02.2018 – NPO)

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