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Medizin

EMS-Training kann gefährlich sein

Neurophysiologen warnen vor Überbelastung und Nierenschäden

EMS-Training soll besonders schnell und effektiv wirken - aber es kann auch schaden. © kanzefar/ iStock.com

„Wundermethode“ mit Tücken: Ein schlanker und straffer Körper mit nur 20 Minuten Training pro Woche – das verspricht das EMS-Training. Reizstrom regt dabei die Muskeln an und soll das Training effektiver machen. Doch Experten warnen: Falsches oder zu ehrgeiziges EMS-Training kann zu Schäden an Muskeln und Nieren führen. Es sollte daher nur von ausgebildeten Physiotherapeuten und Sportmedizinern eingesetzt werden.

Gerade jetzt zu Jahresanfang haben sich viele Menschen vorgenommen mehr Sport zu treiben und gesünder zu leben. Besonders verlockend erscheint da der neue Sporttrend EMS (Elektromyostimulation), mit dem inzwischen viele Fitnessstudios werben. Bei dieser Methode werden die Muskeln während des normalen Trainings zusätzlich mit elektrischem Strom stimuliert. Mit nur 20 Minuten Einsatz pro Woche sollen die Muskeln wachsen und das Fett schwinden.

So funktioniert EMS

Während des EMS-Trainings trägt der Sportler einen speziellen Anzug, der den Strom in die Muskeln leitet. Der Trainer gibt Anweisungen und reguliert die Stromintensität für die einzelnen Körperregionen über ein Kontrollpanel. Verschiedene Muskelgruppen werden für einige Sekunden gezielt angespannt und anschließend wieder entlastet – durch die intensive Anspannung mit zusätzlicher Stromzufuhr ist ein kurzes Workout ausreichend.

Die gezielte Stromzufuhr führt zu stärkeren Muskelkontraktionen, die auch tiefere Muskelfasern erreichen und somit zum schnelleren Aufbau der Muskulatur. Tatsächlich wird EMS in der Physiotherapie und im Hochleistungssport schon seit Jahren zum Muskelaufbau nach einer OP oder längerer Bettlägerigkeit eingesetzt.

Nichts für den Breitensport

Doch die angebliche Wundermethode hat Tücken, wie nun Mediziner warnen. Falsch oder zu häufig angewendet kann EMS zu Schäden an Muskeln und Nieren führen. Die Methode sollte daher nur unter Anleitung ausgebildeter Sportmediziner und Physiotherapeuten zum Einsatz kommen. Sie raten daher von der Anwendung von EMS im Breitensport ab. Die Massenanwendung der Methode sei noch Neuland.

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„Während Ärzte und Physiotherapeuten in dieser Methode ausgebildet wurden, ist das Personal in Fitnessstudios oft nicht ausreichend geschult, um die Belastung richtig einzuschätzen“, sagt Stefan Knecht von der St. Mauritius Therapieklinik in Meerbusch. So drohe Gefahr, wenn jemand den Regler unkritisch nach oben dreht. „Geschultes Personal muss die Stromintensität überwachen und die Trainer müssen auf die Gefahr des Übertrainierens hinweisen“, betont der Mediziner.

Zu heftiges Training kann die Nieren schädigen

Denn wichtig ist bei EMS vor allem die richtige Dosis: „Der geringe Aufwand ist tückisch und kann dazu verleiten, häufiger oder ausgiebiger zu trainieren als empfohlen“, sagt Knecht. „Das EMS-Training sollte höchstens ein- bis maximal zweimal pro Woche absolviert werden“. Ausreichende Erholungsphasen zwischen den Trainingseinheiten sind wichtig.

Der Grund: Ein zu intensives Krafttraining führt zu einer erhöhten Ausschüttung der Creatin-Kinase (CK), einem Enzym, das die Muskeln mit Energie versorgt. Wissenschaftler der Sporthochschule Köln haben herausgefunden, dass der Anstieg der CK beim EMS-Training bis zu 18 Mal höher ist als beim herkömmlichen Training. Diese Extremwerte können in Einzelfällen zu Nierenschädigungen führen.

Im Zweifel gilt: Wer nach dem Training Schmerzen, Herzrasen oder ein Schwächegefühl verspürt, sollte den Arzt aufsuchen. Außerdem wichtig für die Nierenfunktion: Auch wenn die Trainingseinheiten nur kurz sind, muss ausreichend getrunken werden.

„Das EMS-Training ist nicht geeignet, um bequem und ohne Anstrengung in Form zu kommen, denn der Trainingseffekt ist nicht bewiesen und bei falscher Anwendung ist die Methode sogar riskant“, resümiert Knecht. Er empfiehlt daher eher ein ganz normales Fitnesstraining – das sei effektiv und sicher.

(Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V., 10.01.2018 – NPO)

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