Das älteste Eis, das jemals bei Eisbohrungen gewonnen wurde, ist jetzt im Rahmen des europäischen Projektes Epica (European Project for Ice Coring in Antarctica) ans Tageslicht gekommen. Es handelt sich dabei um einen 70 Meter langen Eiskern, der die Klimaaufzeichnungen auf knapp eine Million Jahre erweitert.
Am 21. Dezember 2004 haben Wissenschaftler des europäischen Eisbohrprojektes Epica (European Project for Ice Coring in Antarctica) an der Station Dome C auf dem Inlandeisplateau der Ostantarktis eine Bohrtiefe von 3270,2 Metern erreicht, fünf Meter oberhalb des Felsuntergrunds. Weil das Eis am Felsuntergrund schmilzt, entschieden die Wissenschaftler die Bohrung bei dieser Tiefe zu beenden.
Der 70 Meter lange Eiskern, der jetzt gebohrt wurde, ist der letzte dieses Projektes, das 1996 angefangen hat. Die Klimaaufzeichnungen des Eiskerns, der Schneefälle aus mindestens 740.000 Jahren enthält, wurden im Juni 2004 in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht. Das neue Stück Eiskern erweitert die Klimaaufzeichnungen auf mehr als 900.000 Jahren. Das ist das älteste Eis, das von tiefen Eisbohrungen gewonnen wurde. Der unterste Teil des Eiskerns enthält Kristalle bis zu 40 Zentimeter Größe. Zwischen diesen Kristallen gibt es mehrere Stellen mit eingeschlossenem braun-rötlichen Material. Die Informationen, die sich aus Studien dieses Eiskerns ergeben werden, könnten großen Einfluss auf unser Verständnis des Erdklimas haben.
Vorhersage künftiger Klimaentwicklungen
Ziel von Epica ist es, im Inlandeis der Antarktis zwei Eiskerne zu erbohren. Neben der Bohrung an Dome C (75° 06’S, 123° 21’E), wird auch an der Kohnen-Station in Dronning Maud Land (75°00’S, 00°04’O) gebohrt. Diese Bohrung hat eine Tiefe von 2565 Metern erreicht und soll in zwei Jahren abgeschlossen sein.
Eiskerne sind Eis-Zylinder mit einem Durchmesser von zehn Zentimetern, die im Bohrvorgang stückweise in Längen von bis zu drei Metern gefördert werden. Dieses Eis geht letztlich zurück auf Schneeflocken, die in den letzten hunderttausenden von Jahren gefallen sind. Aus den Schneeflocken entwickelten sich im Laufe der Zeit Eiskristalle, die die zwischen ihnen gelegene Luft mitsamt kleinsten Schwebteilchen in Bläschen einschließen.
Die Wissenschaftler benutzen die einzigartige Klimaaufzeichnung in Eiskernen, um aus der Analyse der chemischen Zusammensetzung und der physikalischen Eigenschaften des Eises und der darin eingeschlossenen Luft die Prozesse in der Atmosphäre und Klimaänderungen in der Vergangenheit zu untersuchen. Besonderes Augenmerk gilt dabei den Effekten von Kohlendioxid, Methan und anderer Komponenten der Atmosphäre. Die Ergebnisse werden bei der Überprüfung und Weiterentwicklung von Rechenmodellen zur Vorhersage künftiger Klimaentwicklungen eingesetzt.
Feldforschung in der Antarktis stellt große wissenschaftliche und logistische Anforderungen an Wissenschaftler und Techniker. Die Orte, an denen im Rahmen von Epica Eiskernbohrungen durchgeführt werden, gehören zu den abgelegensten und unwirtlichsten der Welt, mit Jahresdurchschnittstemperaturen unter -54 Grad Celsius.
(idw – Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, 14.01.2005 – DLO)