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Physik

Die Physik hinter dem Latte Macchiato

Wie die farblich abgegrenzten Schichten im Kaffeeglas entstehen

Latte Macchiato: Espresso trifft Milch © Seen001/ iStock.com

Kaffee und Physik: Wenn heißer Espresso auf warme Milch trifft, setzt dies im Glas einen komplizierten Prozess in Gang. Im Latte Macchiato entsteht dabei idealerweise eine Abfolge mehrerer horizontaler Schichten. Entscheidend dafür ist neben der Temperatur auch die Eingieß-Geschwindigkeit, wie Forscher nun herausgefunden haben. Nur wenn der Espresso mit dem richtigen Tempo ins Glas fließt, ist das Ergebnis ein „gestreifter“ Latte Macchiato.

Die Natur ist voller faszinierender Muster: Ob die Wellen auf der Oberfläche eines tiefen Gewässers, riesige Wirbelstraßen in Wolken oder die symmetrische und doch komplexe Form von Schneeflocken – solche Strukturen sind nicht nur schön anzusehen. Auch Wissenschaftler interessieren sich für diese Musterbildung.

„In Flüssigkeiten entsteht eine Vielzahl räumlicher Muster vorwiegend durch thermische Effekte“, schreiben Nan Xue von der Princeton University und seine Kollegen. Ein Beispiel aus dem Alltag ist der Latte Macchiato: Gießt man Espresso in Milch, um das Kaffeegetränk zu kreieren, entstehen unter bestimmten Umständen mehrere Schichten mit jeweils unterschiedlichen Espressokonzentrationen im Glas – farblich klar abgrenzbare Bereiche. Dieser Effekt wird in der Hydrodynamik Layering genannt.

Geschichteter Genuss © Pixabay

Espresso trifft Milch

Die Forscher um Xue haben die Schichtenbildung im Latte Macchiato nun genauer unter die Lupe genommen und sind dafür unter die Baristas gegangen: Bei einer Reihe von Experimenten simulierten sie die Herstellung des Kaffeegetränks unter kontrollierten Bedingungen im Labor. Allerdings verwendeten sie dabei statt Espresso und Milch gefärbtes, heißes Wasser und eine warme Salzwasserlösung.

Die Versuche zeigten, wie die Abfolge von mehreren Schichten zustande kommt: Beim Eingießen trifft heißer Espresso auf warme Milch. Da der Espresso bei diesen Temperaturverhältnissen eine geringere Dichte als Milch besitzt, sammelt er sich zunächst im oberen Bereich des Glases. Doch dabei bleibt es nicht. Denn an der Grenze zwischen Milch und Kaffee vermischen sich die Flüssigkeiten. Außerdem kühlen die Moleküle an der Glaswand rasch ab: Sie werden dichter und sinken nach unten.

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Bewegung im Kaffeeglas

Dadurch kommt eine kreisförmige Umwälzbewegung in Gang, eine sogenannte Konvektion: Am Rand strömt kalte Flüssigkeit nach unten, von der Mitte des Glases bewegt sich hingegen warme Flüssigkeit nach oben. Diese wird von der nach unten strömenden Flüssigkeit an den Rand gedrängt, kühlt dort ab, sinkt nach unten und so weiter.

Gleichzeitig wirkt sich auch das Konzentrationsgefälle der gelösten Inhaltsstoffe etwa aus dem Kaffeepulver auf diesen Prozess aus. Weil unten im Glas weniger Espresso mit der Milch vermischt ist und sich dort folglich weniger gelöste Teilchen in der Flüssigkeit befinden, verringert sich die Dichte in diesem Bereich. Als Folge wird das Absinken der Flüssigkeiten gebremst. Es entstehen unterschiedliche Konvektionszonen, in denen die Konzentration des Espressos von oben nach unten abnimmt.

Die Schichtenbildung im Video© Nan Xue/ Sepide

Wie im Latte Macchiato so im Ozean

Da die Bewegung durch zwei Faktoren, nämlich Temperatur- und Konzentrationsgefälle, angetrieben wird, sprechen Fachleute von doppeldiffusiver Konvektion. Interessanterweise tritt derselbe Effekt auch im Ozean auf, wie die Wissenschaftler berichten – zum Beispiel an der Grenze von Eisbergen.

Durch das Schmelzen des aus Süßwasser bestehenden Eises bildet sich in der Umgebung ein Gefälle in der Salzkonzentration heraus. Weniger salziges Wasser ist leichter als salziges und schwimmt wie ein Deckel oben auf. Durch den Temperaturunterschied kühlt sich das Wasser an der Eiswand gleichzeitig jedoch ab und sinkt nach unten.

Eingieß-Tempo entscheidend

Im Glas bildet sich die horizontale Schichtenfolge jedoch mitnichten jedes Mal, wenn Espresso auf Milch trifft. Bei ihren Experimenten fanden Xue und seine Kollegen heraus: Entscheidend ist neben der Temperatur offenbar auch die Eingieß-Geschwindigkeit. Nur wenn sie hoch genug ist, vermischen sich Espresso und Milch so, dass ein entsprechendes Konzentrationsgefälle entsteht und sich eine Vielzahl von Schichten herausbilden. Die Gießgeschwindigkeit sollte demnach mindestens 21 Meter pro Sekunde betragen.

Diese neue Erkenntnis könnte nicht nur für physikalisch interessierte Kaffeeliebhaber interessant sein, sondern womöglich auch Ansätze für die Herstellung weicher Gel-Materialien mit geschichteten Strukturen liefern, schreiben die Wissenschaftler. Und der Latte Macchiato? Der wird sich am Ende aller Konvektion von seinen Schichten verabschieden – und mit der Zeit zu einer einheitlich gefärbten Milch-Kaffee-Mischung mit Schaumhaube werden. (Nature Communications, 2017; doi: 10.1038/s41467-017-01852-2)

(Nature Press, 13.12.2017 – DAL)

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