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Archäologie

„Göttliche“ Siegelabdrücke entdeckt

Mehr als 1.000 antike Siegel geben neue Einblicke in die griechisch-römische Götterwelt

Siegelabdrücke aus dem Archiv der antiken Stadt Doliche © Forschungsstelle Asia Minor

Göttlich besiegelt: Archäologen haben in der antiken Stadt Doliche auf dem Gebiet der heutigen Türkei hunderte Dokumente mit besonderen Siegelabdrücken gefunden. Die Artefakte zeigen neben dem römischen Kaiser Augustus eine Vielzahl griechisch-römischer Götter – und geben damit neue Einblicke in die religiösen Vorstellungen der damaligen Zeit. Neben dem Siegelfund haben die Forscher bei ihren Grabungen in Doliche zudem Hinweise auf eine spätantike Kirche entdeckt.

Die Religion der antiken Griechen und Römer war geprägt von einer polytheistischen Götterwelt. Ob Zeus, Hera oder Jupiter: Die altertümliche Mythologie bevölkerten damals zahlreiche Gottheiten, die das Schicksal des Volkes lenkten. Neue Einblicke in diese faszinierende Welt gibt nun ein archäologischer Fund aus der antiken Stadt Doliche in der Südosttürkei.

Wissenschaftler um Engelbert Winter von der Universität Münster haben dort mehr als 1.000 Siegelabdrücke mit unterschiedlichen Götterbildern entdeckt – sie stammen wahrscheinlich aus dem städtischen Archiv Doliches. „Viele Siegel lassen sich aufgrund ihrer Größe, des häufigen Auftretens und in einigen Fällen auch aufgrund von Inschriften den administrativen oder offiziellen Siegeln der Stadt zurechnen“, berichtet Winter.

Kult um Soldatengott Jupiter

Neben Zeus und Hera sind auf den Abdrücken unter anderem die „Stadtgöttin“ Tyche, die personifizierte Göttin des römischen Staates Dea Roma sowie der römische Kaiser Augustus abgebildet. „Zentrales Motiv ist aber der wichtigste Gott der Stadt, Iuppiter Dolichenus„, sagt Winter. „Sein Kult breitete sich im 2. und 3. Jahrhundert nach Christus in weite Teile der Mittelmeerwelt hinein bis nach Britannien aus.“

Daher verwundere es nicht, wenn hunderte von Dokumenten mit Bildern besiegelt wurden, die den Handschlag zwischen Gott und Kaiser zeigen. „Damit wurde die tiefe Verbundenheit des Gottes mit dem römischen Staat zum Ausdruck gebracht“, ergänzt der Archäologe. „Dass die Verwaltung so viele Dokumente mit den Götterbildern besiegelte, zeigt, wie stark die religiösen Vorstellungen den Alltag prägten. Der Kult um den Soldatengott Jupiter Dolichenus fand nicht nur im nahe gelegenen Zentralheiligtum statt, sondern prägte auch das Stadtleben.“

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Söhne des Zeus als wichtige Begleiter

Die Bilder liefern zugleich Erkenntnisse über den Kult selbst. So fanden sich neben Abdrücken von Büsten des Jupiter und seiner Gemahlin Juno Darstellungen der göttlichen Zwillinge Kastor und Pollux, den Söhnen des Zeus. „Die Söhne des Zeus, auch Dioskuren oder Castores Dolicheni genannt, werden häufig als Begleiter des Jupiter dargestellt und spielen daher eine wichtige Rolle im Kultgeschehen“, sagt Winter.

Der Wissenschaftler und sein Grabungsteam erforschen das Heiligtum des Jupiter Dolichenus bereits seit siebzehn Jahren. Bei ihren Ausgrabungen im Stadtgebiet stießen sie vor kurzem auch auf Hinweise auf eine bisher unbekannte Kirche: „In einem Gebäudekomplex konnten wir unter einem um 400 nach Christus zu datierendem Mosaik einen noch älteren Mosaikboden von ebenfalls sehr hoher Qualität freilegen“, berichtet Winter.

Eine spätantike Kirche?

Die Grabungen in dem dreischiffigen Gebäudekomplex hatten 2015 begonnen. Inzwischen sind 150 Quadratmeter des großen, von Säulen umstandenen Mittelschiffs freigelegt worden. „Nach jetzigem Stand deutet viel auf eine spätantike Kirche hin. Das könnte sich als ein wichtiger Beitrag zum Verständnis der Geschichte des frühen Christentums in der Region erweisen“, so der Forscher.

Ihm zufolge sprechen neben der Architektur auch Einzelfunde aus dem Umfeld wie die Fragmente eines Marmortisches oder die durch eine Inschrift bezeugte Erwähnung eines Diakons für ein christliches Gotteshaus.

Stadtzentrum lokalisiert

Die Forscher haben inzwischen auch das öffentliche Zentrum der Stadt Doliche gefunden, das sie zunächst durch geophysikalische Prospektionen im Osten des Stadtgebietes lokalisiert hatten. „Diese Annahme hat sich bestätigt“, berichtet Grabungsleiter Winter. „Wir konnten Teile eines sehr großen Gebäudes freilegen: Es handelt sich um eine mit gut erhaltenen Mosaiken ausgestattete Badeanlage der römischen Kaiserzeit. Da bislang kaum römische Thermen aus der Region bekannt sind, ist diese Entdeckung von großer wissenschaftlicher Bedeutung.“

Zudem brachte das Forscherteam aus Münster auch neue Erkenntnisse zur Ausdehnung des Stadtgebiets und zur Chronologie der Stadt mit: Eine in diesem Jahr auf dem Siedlungshügel der antiken Stadt, dem Keber Tepe, durchgeführte Untersuchung führte dabei zu durchaus überraschenden Ergebnissen: „Eine Vielzahl von Funden der Steinzeit deutet darauf hin, dass der Keber Tepe schon sehr früh offensichtlich ein sehr bedeutender Ort war. Seine größte Ausdehnung erreichte Doliche dann in der römischen und frühbyzantinischen Zeit“, schließt Winter.

(Exzellenzcluster „Religion und Politik“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, 11.12.2017 – DAL)

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