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Physik

Auch Blitze erzeugen Antimaterie

Erster Nachweis von blitzinduzieren Kernreaktionen in der Luft

Blitze produzieren nicht nur nicht nur energiereiche Strahlung, sondern auch Antimaterie und neue Isotope. © Unsplash/ pixabay

Selbst Atomkerne zerfallen: Blitze produzieren nicht nur energiereiche Strahlung, sondern lösen sogar Kernreaktionen in der umgebenden Luft aus. Bei diesen Zerfallsreaktionen wird Antimaterie frei – es entstehen Positronen, wie Forscher jetzt erstmals nachgewiesen haben. Neu auch: Die Kernreaktionen erzeugen das Kohlenstoff- Isotop C-14 – eine für die Radiokarbondatierung entscheidende Atomvariante.

Ein Gewitter mit Blitz und Donner ist ein dramatisches Naturschauspiel. Der durch Ladungsunterschiede in der Gewitterwolke entstehende Blitz kann eine Stromstärke von mehreren zehntausend Ampere erreichen und in Sekundenbruchteilen die umgebende Luft auf bis zu 30.000 Grad aufheizen. Ihre explosive Ausdehnung erzeugt dann den Donner.

Woher kommen die Positronen?

Doch es passiert noch mehr: Im Jahr 2011 registrierte das Gammastrahlenteleskop Fermi oberhalb von großen Gewitterwolken einen überraschenden Gammastrahlen-Überschuss. Die Energie dieser Strahlung lag bei 0,511 Megaelektronenvolt – und damit genau dem Wert, der bei der Reaktion von Positronen mit Materie entsteht. Irgendwo in dem Gewitter musste demnach Antimaterie entstanden sein.

Aber wo? Forscher vermuten schon seit längerem, dass Blitze Kernreaktionen der Luftmoleküle und dabei auch Positronen erzeugen können. Ein Nachweis dafür stand aber bisher aus. Genau dies ist jetzt Teruaki Enoto von der Universität Kyoto und seinen Kollegen gelungen. Für ihre Studie hatten sie in der Nähe des Kernkraftwerks Niigata in Japan vier hochsensible Gammastrahlen-Detektoren installiert – in der Hoffnung, damit irgendwann einen Blitz „auf frischer Tat“ zu ertappen.

Ein Blitz geht „in die Falle“

Am 6. Februar 2017 war es endlich soweit: Ein Paar starker Blitz entlud sich nur wenige hundert Meter von den Messgeräten entfernt. „Alle vier Detektoren und sogar Sensoren des Atomkraftwerks zeichneten dabei eine rund 200 Millisekunden dauernde Gammastrahlen-Freisetzung auf“, berichten die Forscher.

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Innerhalb dieses Ereignisses registrierten die Detektoren drei verschiedene Phasen: Als erstes kam eine starke, weniger als eine Sekunde dauernde Gamma-Entladung. Danach folgte ein schwächeres Gammastrahlen-Nachglühen, das einige Dutzend Millisekunden lang anhielt. Den Abschluss bildete eine knapp eine Minute anhaltende Phase, in der vermehrt Gammastrahlung der Energie von 0,511 Megaelektronenvolt freiwurde.

Ablauf der Kernreaktionen bei einem Blitz © Kyoto University/Teruaki Enoto

Gammapuls und Neutronen-Schleuder

„Wir wussten, dass der erste Gammablitz vom Blitzschlag selbst stammen musste“, erklärt Enoto. Die elektrische Entladung ist so energiereiche, dass dabei nicht nur Photonen des sichtbaren Lichts und Röntgenstrahlung freiwerden, sondern auch die noch energiereichere Gammastrahlung. „Durch weitere Analysen konnten wir dann ermitteln, was hinter der zweiten und dritten Phase dieser Gammastrahlen-Freisetzung steckte“, so Enoto.

Demnach entstand der zweite Strahlenschub durch eine Kernreaktion des Luftstickstoffs: Die Energie des Blitzes schlug ein Neutron aus dem Kern des Atoms und erzeugte so das kurzlebige Isotop Stickstoff-13. Das dabei freigesetzte Neutron kollidiert mit weiteren Gasatomen in der Luft und produziert dabei die Gammastrahlung.

Antimaterie durch Zerfallsreaktion

Spannend aber ist die dritte Phase: In dieser zerfällt das instabile Stickstoff-13-Isotop zu Kohlenstoff, indem sich ein Proton des Atomkerns durch den Betazerfall in ein Neutron umwandelt, wie die Forscher berichten. Dabei wird neben einem Neutrino auch das Antimaterie-Äquivalent des Elektrons frei: ein Positron. Sobald dieses in Kontakt mit Elektronen kommt, löschen sich beide Teilchen gegenseitig aus und setzen die für diese Annihilationsreaktion typische Gammastrahlung frei.

Damit scheint klar: Der rätselhafte Gammastrahlen-Überschuss über Gewitterwolken hat seinen Ursprung in den Blitzen. Sie lösen Kernreaktionen in der Luft aus, die Antimaterie und Gammastrahlung erzeugen. „Antimaterie ist demnach etwas, das an stürmischen Tagen direkt über unseren Köpfen entstehen kann“, sagt Enoto.

Gewitter als Isotopen-„Fabrik“

Überraschend auch: Mit ihren Messungen enthüllen die Forscher eine bisher unbekannte Quelle von Isotopen in der Erdatmosphäre. Elementvarianten wie Stickstoff-15, Kohlenstoff-13 und Kohlenstoff-14 entstehen demnach nicht nur durch kosmische Strahlung oder andere exotische Quellen, sondern auch bei Gewittern.

„Damit haben Enoto und seine Kollegen den ersten eindeutigen Beweis für gewitterinduzierte Kernreaktionen geliefert“, sagt Leonid Babich vom Russischen Nuklearzentrum in Nischni Nowgorod in einem begleitenden Kommentar. Wichtig ist dieses Wissen beispielsweise deshalb, weil das Kohlenstoff-Isotop C-14 eine entscheidende Rolle für die Radiokarbondatierung von Fossilien und archäologischen Funden spielt. ( Nature, 2017; doi: 10.1038/nature24630)

(Kyoto University, 24.11.2017 – NPO)

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