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Physik

Physiker entdecken atomares Feuerwerk

Zuvor unbekanntes Verhalten ultrakalter Atome überrascht Forscher

Zum ersten Mal beobachtet: Die ultrakalten Atome eines Bose-Einstein-Kondensats senden koordinierte Teilchen-Jets aus - wie bei einem Feuerwerk. © Cheng et al.

Unerwartet koordiniert: Bei ultrakalten Atomen in einem Bose-Einstein-Kondensat haben Physiker ein bisher völlig unbekanntes Verhalten entdeckt. Werden diese Atome durch Magnetpulse zur Kollision gebracht, werden einige aus dem Verbund geschleudert. Doch diese schießen nicht zufällig aus der Masse, sondern bilden überraschend koordinierte Teilchenfontänen, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten. Eine solche kollektive Emission ist völlig neu.

Kühlt man Wolken von Atomen bis knapp über dem absoluten Nullpunkt ab, gehen sie in einen exotischen Materiezustand über: das sogenannte Bose-Einstein-Kondensat. In diesem Zustand gleichen die Atome ihre Quantenzustände an und verhalten sich wie ein einziges „Riesenatom“. Quantenphysikalisch ausgedrückt: Die auch als Wellen beschreibbaren einzelnen Teilchen schwingen im Gleichtakt.

Koordinierte Teilchenfontänen

In ihrem Experiment haben Logan Clark und seine Kollegen von der University of Chicago ein solches Bose-Einstein-Kondensat aus 30.000 Cäsium-Atomen sozusagen provoziert: Sie setzten die „gleichgeschaltete“ Atomwolke einem pulsierenden Magnetfeld aus. Das wechselnde Feld schüttelte die Atome durch und führte innerhalb des Kondensats zu Kollisionen.

„In den ersten paar Millisekunden beobachteten wir zunächst keine Veränderungen“, berichten die Forscher. „Doch dann schossen plötzlich Fontänen von Teilchen aus dem Verbund.“ Das Überraschende daran: Diese Teilchen waren nicht zufällig verteilt, sondern bildeten koordinierte, gleichzeitig losrasende Jets. „Wir sehen tausende von Bosonen, die zusammen in die gleiche Richtung schießen“, erklärt Clark. „Das ist, als wenn Menschen sich absprechen und einen Ort in Gruppen verlassen.“

Kollektive Emission aus einer ultrakalten Atomwolke© Cheng et al/University of Chicago

„Völlig neues fundamentales Verhalten“

Wie die Physiker beobachteten, verlassen die Teilchenfontänen an einer bestimmten Erregungsschwelle das Kondensat in kreisförmigen Strahlenkränzen – ähnlich den glühenden Partikeln bei einem Feuerwerkskörper. „Das ist ein fundamentales Verhalten, dass wir noch nie zuvor gesehen haben – für uns war das eine echte Überraschung“, sagt Clark.

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Unerwartet war diese Entdeckung auch, weil Bose-Einstein-Kondensate bereits seit Jahren intensiv erforscht werden. Dass ausgerechnet in diesem exotischen, aber vermeintlich bekannten Materiezustand ein vollkommen neues Phänomen beobachtet wird, erstaunte auch die Physiker. „Wenn man etwas so Verrücktes in einem so einfachen Experiment entdeckt, fragt man sich schon, was es noch alles dort draußen gibt“, sagt Clarks Kollege Lei Feng.

Auch bei anderen Quantensystemen möglich?

Die Forscher spekulieren bereits darüber, ob diese kollektiven Emissionen auch in anderen Quantensystemen vorkommen könnten. Denn für diese Teilchenfontänen könnte es vielleicht sogar technische Anwendungen geben: „Wenn man ein Atom in eine Richtung schickt, dann würde ihm in einem solchen System eine ganze Gruppe weiterer Atome in diese Richtung folgen“, erklärt Clark. „Das könnte beispielsweise helfen, kleine Signale in der Quantenwelt zu verstärken.“

Weil bei diesen kollektiven Teilchen-Jets oft zwei Fontänen in genau entgegengesetzte Richtung schießen, könnte dieses neuentdeckte Verhalten möglicherweise auch für quantenphysikalische Messungen nützlich sein, so die Forscher. (Nature, 2017; doi: 10.1038/nature24272)

(University of Chicago, 08.11.2017 – NPO)

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