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Medizin

Können Nanoröhrchen Krebs auslösen?

Lange, dünne Nanoröhrchen führen bei Mäusen zu den gleichen Tumoren wie Asbest

Lange, dünne Kohlenstoff-Nanoröhrchen verhalten sich im Körper offenbar genauso wie Asbestfasern. © Jack/ CC-by-sa 3.0

Gefährlich wie Asbest? Möglicherweise können lange, dünne Nanoröhrchen beim Einatmen ähnlich krebserregend wirken wie Asbest. In Versuchen mit Mäusen verursachten die Nanofasern zunächst chronische Entzündungen im Brustfell, dann entstanden bei bis zu einem Viertel der Tiere Krebstumore. Wie die Forscher im Fachmagazin „Current Biology“ berichten, waren dabei die zellulären Prozesse und die Krebsrate genauso wie beim Asbest.

Von Asbest ist schon länger bekannt, dass es Mesotheliome, eine bestimmte Form von Bindegewebstumoren, verursachen kann. Die dünnen, langen Fasern dringen dabei tief in das Lungengewebe ein und gelangen sogar in die äußere Umhüllung des Organs, das Mesothelium. Dort provozieren sie eine Entartung der Zellen und damit Krebs. Vor wenigen Jahren zeigten Experimente dann, dass auch Kohlenstoff-Nanoröhrchen im Körper ein ähnliches Verhalten zeigen wie Asbest.

Nanofasern im Lungengewebe

Offenbar reichen die Ähnlichkeiten zwischen Asbest und Nanoröhrchen aber noch weiter: Jetzt liefern Tatyana Chernova vom Medical Research Council Toxicology Unit in Leicester und ihre Kollegen erste Hinweise darauf, dass auch lange, dünne Nanoröhrchen Mesotheliome auslösen können.

Für ihre Studie injizierten sie Mäusen Nanoröhrchen verschiedener Länge oder aber Asbest in das Brustfell – jeweils in Dosierungen, wie sie gängigen Belastungen an kontaminierten Arbeitsplätzen entsprechen. Über 20 Monaten hinweg beobachten die Forscher dann, ob und welche Veränderungen in Zellen und Geweben des Brustfells auftraten. Auch die Genaktivität in den Zellen analysierten sie.

Erst Entzündung, dann Krebs

Das Ergebnis: Während dicke, kurze Nanoröhrchen sehr schnell vom Immunsystem attackiert und beseitigt wurden, war dies bei den langen, dünnen Nanoröhrchen und den Asbestfasern nicht der Fall. Beide blieben in den Geweben stecken und lösten schon nach relativ kurzer Zeit chronische Entzündungen aus. „Eine solche chronische Entzündung spielt eine wichtige Rolle auch bei der asbestbedingten Krebsentstehung beim Menschen“, erklären die Forscher.

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Elektronenmikroskopische Aufnahme von Asbestfasern. © Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin/ ATW GmbH

Und dabei blieb es nicht: „Sechs Monate nach Injektion hatten sich diese entzündlichen Läsionen bereits über das Brustfell und Zwerchfell ausgedehnt“, berichten Chernova und ihre Kollegen. Nach 20 Monaten hatten sich in einigen dieser Entzündungen Herde entarteter Zellen gebildet. „In zehn bis 25 Prozent der Tiere entwickelten sich aus den von Nanoröhrchen induzierten Läsionen Mesotheliome“, berichten die Wissenschaftler.

Effekt könnte beim Menschen ähnlich sein

„Wir zeigen damit zum ersten Mal, dass die von Asbest und von Nanoröhrchen induzierten pleuralen Läsionen über die gleichen molekularen Vorgänge zu Mesotheliomen führen“, konstatieren Chernova und ihre Kollegen. Sowohl morphologisch als auch in Bezug auf die Genaktivität und Botenstoffe lösen lange Nanoröhrchen demnach die gleichen Reaktionen im Körper aus wie Asbestfasern.

Noch stammen diese Ergebnisse zwar nur von Mäusen, aber die Wissenschaftler halten es für durchaus wahrscheinlich, dass Nanoröhrchen auch beim Menschen asbestähnliche Folgen auslösen können. „Angesichts der Tatsache, dass mit der steigenden Produktion von langen Nanoröhrchen auch die potenzielle Belastung zunimmt, unterstreichen unsere Ergebnisse die Notwendigkeit, sehr vorsichtig beim Einsatz dieser Materialien zu sein“, betonen die Forscher.

„Wichtige Informationen auch für die Hersteller“

Nanoröhrchen werden bereits unter anderem in Sportartikeln eingesetzt, als Zusatz von Baustoffen wie Beton, aber auch als Sensoren, Leuchtmittel oder Bausteine für Elektronikkomponenten wie beispielsweise neuartige Transistoren in Computern.

„Es ist deshalb wichtig zu wissen, dass nicht alle Nanoröhrchen gefährlich sind“, betont Chernovas Kollegin Marion MacFarlane. „Unsere Forschungen sollen die Hersteller und Regulatoren über sicherere Optionen informieren, wenn Nanofasern bei der Produktion neuer Materialien benötigt werden.“ (Current Biology, 2017; doi: 10.1016/j.cub.2017.09.007)

(Cell Press, 07.11.2017 – NPO)

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