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Biologie

Neue Orang-Utan-Art identifiziert

Zahl der Menschenaffen-Arten erweitert sich auf sieben

Ein Vertreter der neuentdecken Orang-Utan-Art Pongo tapanuliensis © Andrew Walmsley

Überraschende Entdeckung: Eine im Norden Sumatras lebende Orang-Utan-Population hat sich als eigene Art entpuppt. Damit erweitert sich nun die Zahl der bekannten Menschenaffen-Arten von sechs auf sieben. Überraschend auch: Der neuentdeckte Tapanuli-Orang-Utan ist sogar die älteste der drei Orang-Arten, wie Genvergleiche enthüllten. Doch die neue Art ist extrem bedroht, von ihr existieren nur noch rund 800 Tiere.

Die Menschenaffen sind unsere nächsten Verwandten, mit ihnen gemeinsam bilden wir die Tiergruppe der Hominiden. Nachdem sich diese vor rund 18 bis 25 Millionen Jahren von den übrigen Affen getrennt hatten, teilten sich die Hominiden in eine afrikanische und eine asiatische Linie. Aus der asiatischen Stammeslinie entstanden die Orang-Utans, aus der afrikanischen zuerst die Gorillas, dann trennten sich vor rund sieben Millionen Jahren die Schimpansen von unseren Vorfahren.

Bisher ging man davon aus, dass es heute neben dem Menschen noch sechs Menschenaffen-Arten gibt: Die östlichen und westlichen Gorillas, Schimpansen, Bonobos sowie die Borneo- und die Sumatra-Orang-Utans. Doch wie sich jetzt zeigt, fehlt in dieser Liste eine Art.

Skelettfund als Glücksfall

Bereits 1997 hatten Forscher im Norden der Insel Sumatra eine isolierte Orang-Utan-Population entdeckt, die sich in Verhalten und Genetik leicht von den anderen Sumatra-Orangs zu unterscheiden schien. Doch die Daten reichten nicht aus, um darin mehr als nur eine lokale Variante zu sehen. 2013 jedoch kam den Wissenschaftlern ein glücklicher Zufall zu Hilfe: Bei einer Expedition ins Tapanuli-Gebiet entdeckten sie das gut erhaltene Skelett eines der dortigen Orangs.

Dieser Schädel eines Tapanuli-Orang-Utans trug entscheidend dazu bei, diese Menschenaffen als neue Art zu identifizieren. © Nater et al.

Für Matt Nowak von der Universität Zürich und seine Kollegen war dies eine einmalige Chance, sich die anatomischen Merkmale dieser isolierten Orang-Gruppe näher anzuschauen. Dabei entdeckten sie auffällige Unterschiede an Zähnen und Schädel: „Wir waren völlig überrascht, dass der Schädel in einigen Merkmalen anders ist, als alles, was wir zuvor gesehen hatten“, erklärt Nowak.

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Eine eigene Art

Weitere Indizien lieferten Genvergleiche von 37 Orang-Utans: Sie bestätigten, dass die Tapanuli-Orang-Utans eine eigene Art sind. „Das ist kein alltägliches Ereignis, wenn man eine neue Menschenaffen-Art identifiziert – dies ist eine wirklich aufregende Entdeckung“, sagt Seniorautor Michael Krützen von der Universität Zürich.

„Menschenaffen gehören zu den am besten untersuchten Spezies der Welt“, ergänzt Erik Meijaard von der Australian National University. „Wenn wir nach 200 Jahren der biologischen Forschung noch immer eine neue Art in dieser Gruppe finden, was sagt dies dann darüber, was wir sonst noch übersehen haben könnten: verborgene Arten, unbekannte ökologische Beziehungen oder kritische Schwellenwerte?“

Extem bedroht: Von den Tapanuli- Orang-Utans existieren nur noch rund 800 Tiere. © Maxime Aliaga

Älteste Orang-Stammeslinie

Spannend auch: Die Genvergleiche enthüllten, dass die neuentdeckte Orang-Art, Pongo tapanuli getauft, sogar die älteste der drei Orang-Spezies ist. Sie spaltete sich bereits vor rund drei Millionen Jahren von den Borneo-Orang-Utans ab, wie die Forscher berichten. Die Trennung zwischen Borneo- und Sumatra-Orangs fand dagegen erst vor rund 700.000 Jahren statt und damit deutlich später.

„Die Tapanuli-Orangs-Utans scheinen damit die direkten Nachfahren der Orang-Utans zu sein, die einst vom asiatischen Festland nach Indonesien kamen“, erklärt Koautor Alexander Nater von der Universität Zürich. „Sie ist damit die älteste evolutionäre Linie innerhalb der Gattung Pongo.“

Extrem bedroht

Doch so alt diese Orang-Art auch ist, sie könnte bald komplett verschwunden sein. Denn heute leben nur noch rund 800 Vertreter dieser Menschenaffen im Tapanuli-Gebiet. Der Tapanuli-Orang-Utan gilt damit als die am meisten gefährdete Menschenaffenart überhaupt. Die Orang-Population ist nicht nur durch die Jagd und die Waldrodung zugunsten von Palmölplantagen bedroht. In ihrem Verbreitungsgebiet soll auch ein Staudamm gebaut werden, der einen Großteil ihres Lebensraums überfluten würde.

„Wenn nicht früh genug Maßnahmen eingeleitet werden, um gegenwärtige und zukünftige Bedrohungen zu reduzieren und um jedes noch verbleibende Waldstück zu bewahren, werden diese Menschenaffenart bereits in wenigen Jahrzehnten ausgestorben sein“, warnt Nowak. (Current Biology, 2017; doi: 10.1016/j.cub.2017.09.047)

(Universität Zürich, 03.11.2017 – NPO)

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