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Archäologie

Archäologen finden 93 assyrische Keilschrift-Tafeln

Inhalt der 3.250 Jahre alten Texttafeln bisher nicht entziffert

Die neuentdeckten assyrischen Keilschrifttafeln waren in einem Keramikgefäß und unter einer Lehmdecke versteckt. © Peter Pfälzner/ Universität Tübingen

Spannender Fund: Bei Ausgrabungen im Nordirak haben Archäologen 93 assyrische Keilschrift-Tafeln entdeckt. Sie sind rund 3.250 Jahre alt und wurden offenbar kurz nach ihrer Erstellung versteckt. Warum dies geschah und was auf den Tontafeln steht, ist bisher allerdings rätselhaft. Denn wegen der stark erodierten Schrift konnten die Texte noch nicht entziffert werden. Bekannt ist nur, dass sie aus der Zeit nach der Rückereroberung Assyriens von den Mittanni stammen.

Die Zeit vor knapp 3.500 Jahren war für Mesopotamien eine Zeit der Umbrüche. Denn damals herrschte die geheimnisvolle Kultur der Mittanni über weite Teile des mittleren Ostens. Auch die einst mächtigen Assyrer waren nach Eroberung ihrer Hauptstatt Assur nur Vasallen der neuen Herrscher. Doch im 13. Jahrhundert vor Christus wendete sich das Blatt: Die Assyrer besiegten die Mittanni und übernahmen nach dem Zusammenbruch des Hethiterreiches auch deren Gebiete. Sie wurden dadurch neben Ägypten zur größten Macht dieser Zeit.

Stadt im Umbruch

Zeugnis von dieser Zeit des Umbruchs und Neuanfangs geben nun neue Funde, die Archäologen bei Ausgrabungen in der Nähe von Bassetki im Nordirak geborgen haben. Dort liegt eine erst im Jahr 2013 entdeckte bronzezeitliche Stadtanlage, die bereits um 3.000 vor Christus gegründet wurde und dann bis in die neuassyrische Zeit um 600 vor Christus bestehen blieb.

„Die Funde belegen, dass dieses frühe städtische Zentrum in Nordmesopotamien jahrhundertelang nahezu ununterbrochen besiedelt war“, berichtet Grabungsleiter Peter Pfälzner von der Universität Tübingen. Bei Ausgrabungen in diesem Sommer haben er und seine Kollegen nun erstmals auch Schichten aus der Zeit des Mittanni-Reichs und der nachfolgenden mittelassyrischen Periode zu Tage gefördert.

Die Archäologen bei der Ausgrabung der Tontafeln in Bassetki © Peter Pfälzner/ Universität Tübingen

Versteckt unter einer Lehmhülle

Dabei machten die Archäologen eine überraschende Entdeckung: In dem zerstörten Raum eines mittelassyrischen Gebäudes stießen sie auf ein großes Keramikgefäß mit 60 beschriebenen Keilschrifttafeln darin. Weitere 33 Tontafeln lagen nahebei. Datierungen ergaben, dass die Tafeln aus der Zeit um 1250 vor Christus stammen. Sie wurden demnach zu einer Zeit beschrieben, als die Assyrer den Mittanni die Herrschaft bereits wieder abgenommen hatten.

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Das Seltsame daran: Zusammen mit zwei weiteren Gefäßen war das Keramikgefäß mit einem dicken Lehmmantel umhüllt worden. „Das Gefäß wurde möglicherweise auf diese Weise versteckt, unmittelbar nachdem das umgebende Gebäude zerstört worden war“, erläutert Pfälzner. „Vielleicht sollten die enthaltenen Informationen geschützt und für die Nachwelt aufbewahrt werden.“ Vor wem die Texte jedoch versteckt werden sollten und warum, ist noch rätselhaft.

Inhalte noch rätselhaft

Aufschluss darüber könnte der Inhalt der Keilschrift-Texte geben. Doch bisher sind sie noch nicht entziffert. Weil viele der Tontafeln ungebrannt und stark abgerieben sind, könnte es schwer werden, alle Texte zu entziffern, wie die Forscher erklären. Bislang ist nicht einmal klar, ob es sich um wirtschaftliche Aufzeichnungen, juristische oder religiöse handelt.

„Ein kleines Fragment einer Tontafel hat unsere Philologin Betina Faist bereits entziffert“, berichtet Pfälzner. „Darin wird ein Tempel der Göttin Gula erwähnt, so dass möglicherweise ein religiöser Kontext in Betracht zu ziehen ist.“ Die Archäologen haben die Tontafeln bereits unter spezieller Beleuchtung fotografiert, um damit möglichst viele Schriftreste sichtbar zu machen.

Die aufwendige Arbeit des Lesens und Übersetzens der 93 assyrischen Keilschrifttafeln beginnt allerdings erst jetzt, nach Rückkehr des Teams aus dem Irak. Peter Pfälzner hofft, dass sich aus den Texten zahlreiche neue Kenntnisse über die Geschichte, Gesellschaft und Kultur dieser bisher kaum erforschten Region Nordmesopotamiens ablesen lassen werden.

(Eberhard Karls Universität Tübingen, 25.10.2017 – NPO)

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