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Paläontologie

Europa: Säbelzahnkatzen noch vor 28.000 Jahren

Eiszeitliche Großkatze starb bei uns 200.000 Jahre später aus als gedacht

Dieses Kiefer einer Säbelzahnkatze wurde in der Nordsee gefunden - und ist erst 28.000 Jahre alt. © Natural History Museum Rotterdam

Spannender Fund: Noch vor 28.000 Jahren könnten unsere Vorfahren in Europa Säbelzahnkatzen gejagt haben – oder von ihnen gefressen worden sein. Denn die eiszeitlichen Raubkatzen starben bei uns gut 200.000 Jahre später aus als bisher angenommen. Das bestätigen nun Analysen eines vor der holländischen Nordseeküste gefundenen Fossils. Warum die Säbelzahnkatzen in Europa ausstarben und wann genau, ist damit wieder offen.

Mächtige, ungewöhnlich starke Pranken, dolchartige Eckzähne und ein tödlicher Biss: Säbelzahnkatzen gehörten zu den furchterregendsten Raubtieren der Eiszeit. Während jedoch die Gattung Smilodon auf dem nordamerikanischen Kontinent noch bis zum Ende der Eiszeit vor rund 12.000 Jahren überlebte, starben die Homotherium-Säbelzahnkatzen Europas schon hunderttausende Jahre früher aus – so dachte man jedenfalls bisher.

Ist der Homo sapiens den Raubkatzen noch begegnet?

Der Grund dafür: Der bislang jüngste Fund eines Homotherium-Fossils waren einige 300.000 Jahre alte Zähne und Knochen, die vor einigen Jahren in Norddeutschland entdeckt worden waren. Weil in ganz Europa keine jüngeren Fossilien gefunden werden konnten, galten dieser Fund als eine der letzten Säbelzahnkatzen Europas.

Als unser Vorfahre, der Homo sapiens, vor rund 40.000 Jahren nach Europa einwanderte, kann er keiner dieser furchterregenden Raubkatzen mehr begegnet sein – oder doch? „Homotherium-Überreste sind so rar und oft so fragmentiert, dass es viele Unsicherheiten über ihre Zuordnung, Anzahl und die Zeit ihres Aussterbens gibt“, erklären Johanna Paijmans von der Universität Potsdam und ihre Kollegen.

Fund in Nordsee-Sandbank

Jetzt jedoch wirft ein neuer Fossilfund die gesamten bisherigen Vorstellungen über den Haufen. In einer Sandbank rund 80 Kilometer vor der niederländischen Nordseeküste haben die Forscher den Kiefer eines Homotherium latidens entdeckt. Um sein Alter zweifelsfrei festzustellen, unterzogen sie das Fossil sechs voneinander unabhängigen Radiokarbondatierungen.

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Rekonstruktion einer Säbelzahnkatze der Gattung Homotherium © Sergiodlarosa/ CC-by-sa 3.0

Das überraschende Ergebnis: Das Säbelzahnkatzen-Fossil ist erst 28.000 Jahre alt. „Das ist ein Beleg dafür, dass Homotherium in Europa mindestens 200.000 Jahre länger vorkam als man bisher angenommen hat“, konstatieren Paijmans und ihre Kollegen. „Das zwingt uns dazu, die traditionellen Vorstellungen der Prozesse zu überdenken, durch die diese Ikone der eiszeitlichen Megafauna ausstarb.“

Raubkatze und Mensch

Der neue Fund bedeutet auch, dass unsere direkten Vorfahren den Säbelzahnkatzen durchaus noch begegnet sind. „Als die ersten anatomisch modernen Menschen nach Europa einwanderten, könnten diese Raubkatzen dort schon auf sie gewartet haben“, so Paijmans. Ob der Homo sapiens die Säbelzahnkatzen jagte oder ob eher die Raubkatzen für ihn eine Bedrohung war, ist allerdings noch unbekannt.

Rätselhaft ist auch, warum es bisher keine anderen Homotherium-Fossilien aus dem späten Pleistozän gibt. Nach Ansicht der Forscher könnte es dafür zwei alternative Erklärungen geben: „Diese Populationen könnten damals nur noch in sehr geringer Populationsdichte vorgekommen sein, so dass kaum Fossilien von ihnen überdauert haben“, mutmaßen sie. „Alternativ könnte der jetzt in der Nordsee gefundene Homotherium auch aus Asien oder über die Beringstraße eingewandert sein und so Europa nach dem Verschwinden der Ursprungspopulation rekolonialisiert haben.“

Die Frage, wie und wann die Säbelzahnkatzen in Europa ausstarben, ist damit erneut offen, wie Paijmans und ihre Kollegen betonen. „Um die Populationsdynamik von Homotherium besser zu verstehen und auch die Gründe für sein Aussterben, müssen wir mehr Fossilien finden und analysieren – aus Europa und aus Asien“, konstatieren die Forscher. (Current Biology, 2017; doi: 10.1016/j.cub.2017.09.033)

(Cell Press, 20.10.2017 – NPO)

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