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Biologie

Eisberg-Abbruch enthüllt einzigartige Lebenswelt

Antarktisches Meeresgebiet war rund 120.000 Jahre eisbedeckt und isoliert

Der vom Larsen-C-Schelfeis abgebrochene Eisberg hat ein gewaltiges Meeresgebiet freigelegt - nach rund 120.000 Jahren der weitgehenden Isotation © ESA/Sentinel-1

Einmalige Chance: Der Abbruch des Eisbergs vom antarktischen Larsen-C-Schelfeis hat eine einzigartige Meereslandschaft enthüllt. Denn nach Jahrtausenden der Dunkelheit und Isolation unter dem Eis liegen nun knapp 6.000 Quadratkilometer Ozean und Meeresboden wieder offen. Was unter dem Schelfeis lebte und wie sich dieses Ökosystem nun verändert, können Forscher nun erstmals direkt mitverfolgen.

Es war eine echte Sensation: Im Juli 2017 brach ein 5.800 Quadratkilometes Stück vom Larsen-C-Schelfeis an der Ostküste der antarktischen Halbinsel ab. Es entstand A-68, einer der größten Tafeleisberge der Geschichte. Ursache für den gewaltigen Abbruch war ein Riss, der sich quer durch das Schelfeis zog und seit 2015 immer länger geworden war. Inzwischen bewegt sich der gigantische Eisberg langsam vom Schelfeis weg und legt immer mehr des einst von ihm verdeckten Meeresgebiets frei.

Seit 120.000 Jahren isoliert

Das Besondere daran: „Ein großer Teil dieses Gebiets war wahrscheinlich seit der letzten Zwischeneiszeit vor rund 120.000 Jahren eisbedeckt“, erklären Forscher des British Antarctic Survey (BAS). Meeresboden und Wasser lagen seither in weitgehender Dunkelheit und waren von der Atmosphäre abgetrennt. Auch ein Wasseraustausch mit dem eisfreien Polarmeer vor der Schelfeiskante fand wahrscheinlich kaum statt.

Genau dies macht diese Meeresregion nun so interessant und einzigartig: „Wir wissen nur sehr wenig darüber, was in solchen Gebieten lebt oder nicht lebt“, sagt Susan Grant vom British Antarctic Survey. „Auch wie sich diese Lebenswelt im Laufe der Zeit verändert, ist noch weitgehend unbekannt.“ Für Meeresbiologen und Polarforscher ist dieses Meeresgebiet vor dem Larsen-C-Schelfeis daher eine einmalige Chance, genau dies nun zu erforschen.

Karg wie in der Tiefsee

Die einzigen bisherigen Erkenntnisse über die Lebenswelt unter dem Schelfeis stammen von zwei deutschen Expeditionen, die Gebiete am Rand der benachbarten Schelfeise Larsen-A und Larsen-B erforscht haben. Auch von diesen Eisflächen brach in den Jahren 1995 und 2002 jeweils ein großes Stück ab. Doch bis die Wissenschaftler Geld, Schiffe und Ausrüstung für ihre Expeditionen beisammen hatten, waren fünf beziehungsweise zwölf Jahre seit dem Eisabbruch vergangen.

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Blick auf den Rand des Larsen-C-Schelfeises vor dem Abbruch des Eisbergs © NASA

Wie diese Meeresgebiete unmittelbar nach Freilegung aussahen, konnten sie daher nicht mehr feststellen. Sie beobachteten aber noch immer deutliche Unterschiede zum offenen Polarmeer: Es gab weniger Überreste von Phytoplankton und Meerestieren im Wasser und am Meeresgrund und damit auch weniger Nahrung für die Meeresbewohner. „Das Leben dort ist karg“, sagt Phil Trathan vom British Antarctic Survey. „Wir vermuten, dass es in vieler Hinsicht der Tiefsee ähnelt – aber das muss nun überprüft werden.“

Schutzgebiet – nur frei für die Forschung

Um das neu freigelegte Gebiet vor Larsen-C für die Forschung zu bewahren, wurde es nun von der Kommission zum Schutz der antarktischen Meereslebenswelt (CCAMLR) offiziell zur „Special Area for Scientific Study“ erklärt. Zwei Jahre lang ist dadurch nun die Fischerei, der Tourismus und jede andere kommerzielle Nutzung dieses Meeresgebiets verboten. Dieser Schutz kann anschließend noch einmal um zehn Jahre verlängert werden.

Meeresforscher aus aller Welt versuchen nun, so schnell wie möglich Expeditionen in das freigelegte Gebiet auf die Beine zu stellen. Bereits Anfang 2018 könnte eine schon länger geplante südkoreanische Antarktis-Expedition entsprechend umgewidmet werden. Auch der British Antarctic Survey möchte noch in der ersten Jahreshälfte ein Forschungsschiff vor das Larsen-C-Schelfeis entsenden. Eine deutsche Expedition plant im Jahr 2019 dort eine Studie der marinen Artenvielfalt durchzuführen.

„Es sehr schwierig, so kurzfristig Forschungsanstrengungen in dieser Region anzukurbeln – es kostet eine Menge Geld und auch Schiffe sind nicht so leicht zu arrangieren“, sagt Grant. „Aber die Tatsache, dass viele Gruppen bereits hart daran arbeiten, demonstriert, wie einzigartig diese Gelegenheit ist.“

(British Antarctic Survey, 09.10.2017 – NPO)

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