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Physik

Das Proton ist kleiner als gedacht

Neue Messung bestätigt Diskrepanz zum Standardwert für den Protonenradius

Das Proton ist offenbar kleiner als es die offiziellen Standardwerte bisher angaben. © NPO/ iStock.com

Abweichung bestätigt: Einer der Grundbausteine der Materie ist kleiner als bisher gedacht – das Proton. Neue Messungen am Wasserstoff haben ergeben, dass der Protonenradius vier bis fünf Prozent kleiner sein muss als der offizielle Standardwert. Dies bestätigt ähnliche Diskrepanzen in früheren Messungen und legt nahe, dass einige physikalische Naturkonstanten korrigiert werden müssen, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.

Das Proton ist einer der fundamentalen Bausteine der Materie, denn zusammen mit dem Neutron bildet es den Atomkern. Gleichzeitig beruhen wichtige Naturkonstanten auf dem Proton, darunter die Rydberg-Konstante. Mit ihr lassen sich beispielsweise Spektrallinien bestimmten Elementen zuordnen. Entsprechend wichtig ist es, Masse und Durchmesser des Protons genau zu kennen.

Rätselhafte Diskrepanzen

Doch genau hier liegt das Problem: In den letzten Jahren weckten gleich mehrere Messungen Zweifel an den offiziellen Werten für das Proton. Im Jahr 2010 ermittelten Physiker mithilfe der Laserspektroskopie einer Proton-Myon-Verbindung einen Protonenradius, der rund vier Prozent unter dem Standardwert von 0,8768 Femtometern lag.

„Weil das Myon 200-mal schwerer ist als das Elektron, kommt es dem Proton viel näher und ‚spürt‘ buchstäblich dessen Ausdehnung“, erklärt der damalige Projektleiter Randolf Pohl von der Universität Mainz. „Daraus ergibt sich die hohe Präzision, mit der wir den Protonenradius bestimmen konnten.“ 2016 ergab eine Messung mit Deuteriumkernen plus Myon ebenfalls kleinere Werte für den Protonenradius. Und Anfang 2017 schließlich ermittelten Forscher auch für die Masse Abweichungen vom Standardwert.

Nachmessung am Wasserstoff

Aber wie verlässlich sind diese Messungen? Muss der offizielle Standardwert geändert werden? Um dies zu beantworten, stand bisher noch eine entscheidende Messung aus: Die Ermittlung des Protonenradius am „normalen“ Wasserstoffatom – ohne Austausch des Elektrons durch das schwere Myon. Diese Messung ist nun Axel Beyer vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) in Garching und seinen Kollegen gelungen.

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Dieses Foto zeigt den Vakuumapparat, der zur Messung der 2S-4P-Übergangsfrequenz in atomarem Wasserstoff genutzt wurde. Das © MPI für Quantenoptik

Für ihr Experiment analysierten die Forscher die Spektrallinien, die bei zwei verschiedenen Energieübergängen des Wasserstoffatoms entstehen – diese Dopplung ist nötig, um die Werte verlässlich zu machen. Die erste Messung führten sie bereits 2011 am sogenannten 1S-2S-Übergang durch. Bei diesem fällt das Elektron nach Anregung in den Grundzustand zurück und erzeugt dabei eine besonders scharfe, dünne Spektrallinie.

Kleinerer Radius bestätigt

Im aktuellen Experiment analysierten Beyer und seine Kollegen den 2S-4P-Übergang, einen Wechsel zwischen zwei angeregten Zuständen. Dafür bestrahlten sie die auf wenige Grad über dem absoluten Nullpunkt heruntergekühlten Wasserstoffatome mit einem Laser der Wellenlänge 468 Nanometer. Wenn die dadurch auf 4P-Niveau angeregten Atome dann in den niedrigeren 2S-Zustand zurückfallen, senden sie Photonen aus, deren Energiegehalt Rückschlüsse auf die Protonengröße erlauben.

Das Ergebnis: Beide Spektralmessungen zusammen bestätigen, dass das Proton kleiner sein könnte als bisher angenommen. Auch am gewöhnlichen Wasserstoff ergeben sich für den Protonenradius Werte, die um bis zu fünf Prozent unter dem Standardwert liegen: Beyer und seine Kollegen kommen aktuell auf 0,8335 Femtometer statt der bisher gültigen 0,8768 Femtometer. „Das entspricht einem Unterschied von 3,3 Standardabweichungen zu den Wasserstoff-Weltdaten“, erklärt Projektleiter Thomas Udem vom MPQ.

Werden die Standardwerte geändert?

Hinzu kommt: „Unsere Messung ist fast so genau wie alle anderen bisherigen Experimente an regulärem Wasserstoff zusammengenommen“, so Udem. Er und seine Kollegen haben ihre Daten zudem drei Jahre lang analysiert, um Messfehler und Verfälschungen auszuschließen. Die Indizien für ein kleineres Proton mehren sich damit beträchtlich. Die Physiker betonen jedoch, dass weitere Messungen – auch mit anderen Methoden – folgen müssen, um ganz sicher zu gehen.

Doch schon jetzt ist auch das Committee on Data for Science and Technology (CODATA) hellhörig geworden. Sie ist das offizielle Gremium, das die Standardwerte für physikalische Konstanten festlegt. „Wir werden dieses Ergebnis sehr ernst nehmen“, sagt Krzysztof Pachucki, Mitglied der CODATA. Er hält es für durchaus wahrscheinlich, dass der offizielle Wert für den Protonenradius und die Rydberg-Konstante geändert wird, wenn die nächste Revision ansteht – dies könnte bereits 2018 der Fall sein. (Science, 2017; doi: 10.1126/science.aah6677)

(Science, Max-Planck-Institut für Quantenoptik, nature news, 09.10.2017 – NPO)

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