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Klima

Klimawandel frisst Asiens Gletscher

Selbst bei nur 1,5 Grad Erwärmung drohen starke Eisverluste in Himalaya und Co

Gletscher im nepalesischen Himalaya: Sie werden bis Ende des Jahrhunderts deutlich schrumpfen. © Walter Immerzeel

Eisschwund am „dritten Pol“: Die Hochgebirgs-Gletscher Asiens werden durch den Klimawandel reichlich Eis verlieren – und das selbst im günstigsten Fall, wie eine Studie zeigt. Schon bei nur 1,5 Grad globaler Erwärmung taut ein Drittel des Eises ab. Bei ungebremstem Klimawandel könnten zwei Drittel der Gletscher verschwinden, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten. Angesichts von fast einer Milliarde vom Gletscherwasser abhängigen Menschen sind dies keine guten Nachrichten.

Die Gletscher im Himalaya, Karakorum und anderen großen Hochgebirgsregionen Asiens sind eines der großen Eisreservoire der Erde – und eine lebenswichtige Wasserquelle für fast eine Milliarde Menschen. Denn das Schmelzwasser füllt Flüsse wie den Indus, Ganges und Brahmaputra und versorgt damit weite Teile Asiens mit Trinkwasser und Wasser für die Landwirtschaft. Auch die Energiegewinnung durch Wasserkraft hängt in großem Maße vom Wassernachschub aus den Gebirgen ab.

Doch diese Wasser-Ressource ist in Gefahr. Denn durch den Klimawandel schrumpfen auch in den Hochlagen des Himalaya und Tien-Shan bereits die Gletscher, wie Messungen belegen. Für die Millionen Menschen, deren Wasserversorgung davon abhängen, ist die weitere Entwicklung der rund fünf Billionen Tonnen Eis umfassenden Gletscher jedoch überlebenswichtig,

33.000 Gletscher im Schmelztest

Wie sich der „dritte Pol“ der Erde bis zum Jahr 2100 halten wird, haben nun Philip Kraaijenbrink von der Universität Utrecht und seine Kollegen in einer der bisher umfassendsten Studien untersucht. Sie erfassten dafür die aktuelle Größe und Eismasse von rund 33.000 asiatischen Gletschern und speisten diese Daten in sechs Klimamodelle ein. In Simulationen ermittelten sie, wie sich die Eismassen bei unterschiedlich starker Erwärmung entwickeln werden.

Die Besonderheit dabei: Die Forscher berücksichtigten erstmals, wie stark die Oberfläche der einzelnen Gletscher von Geröll und Ruß bedeckt ist. Denn diese Decke kann einen entscheidenden Einfluss auf das Schmelzverhalten haben: „Eine dünne Schicht Geröll beschleunigt das Abtauen, weil sie eine niedrigere Albedo besitzt als das freiliegende Eis“, erklären die Forscher. „Ist die Schicht aber dicker als einige Zentimeter, hemmt sie das Schmelzen, weil sie das darunterliegende Eis gegen die wärmere Luft isoliert.“

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Gebirgspass im Himalaya: Selbst ohne weitere Erwärmung wird das Eis schwinden. © Sander Meijer

Linearer Zusammenhang

Wie sind nun die Prognosen? Für die meisten Gletscher Asiens ist der Trend klar: Sie werden selbst im günstigen Fall weiterhin schrumpfen. Denn schon jetzt sind die Temperaturen in den Hochgebirgslagen um 2,1 Grad angestiegen – und damit deutlich stärker als die globalen Mitteltemperaturen. Allein dadurch werden bis Ende des Jahrhunderts gut 20 Prozent des Eises in den asiatischen Hochgebirgen schmelzen, so die Prognose.

Dieser Eisverlust ist schon jetzt unumgänglich, denn er würde selbst dann eintreten, wenn wir die Temperaturen auf dem heutigen Niveau halten könnten, wie die Forscher erklären. Für alles darüber gilt: Der Eisverlust nimmt dabei fast linear mit der Temperatur zu. Jedes Grad mehr lässt weitere rund zehn Prozent der Gletscher abtauen, wie die Berechnungen ergaben.

Ein Drittel weniger – im besten Fall

Wird die globale Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzt – wie es das Pariser Klimaabkommen anstrebt, dann würden die asiatischen Gletscher demnach um ein Drittel schrumpfen. Dabei gibt es allerdings starke regionale Unterschiede: In Tibet, dem Westen Chinas und im östlichen und zentralen Himalaya werden bis zu zwei Drittel der Eismassen verschwinden. Das Karakorum-Gebirge verlöre dagegen nur 20 Prozent, weil die Gletscher hier sehr groß und teilweise von einer dicken, isolierenden Geröllschicht überdeckt sind, wie die Forscher berichten.

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Das Problem: Schon jetzt ist es äußerst unwahrscheinlich, dass die Menschheit das Klimaschutzziel von 1,5 Grad erreichen wird. Selbst für das Zwei-Grad-Ziel beziffern Forscher die Chance auf nur noch fünf Prozent. Die Menschen in Asien werden sich daher künftig wohl auf erheblich größere Gletscherverluste einstellen müssen, wie auch Kraaijenbrink und seine Kollegen einräumen.

Wasserkrisen schon abzusehen

Konkret bedeutet dies: Steigt die Mitteltemperatur entsprechend den gemäßigten Klimaszenarien des IPCC bis Ende des Jahrhunderts um drei bis vier Grad, dann verlieren die Hochgebirgsgletscher Asiens die Hälfte ihrer Eismasse. Bei einem ungebremsten Klimawandel würden sogar zwei Drittel des Gletschereises verloren gehen, wie die Forscher berichten.

Viele Gebirgsregionen wären dann komplett eisfrei – und könnten auch kein Schmelzwasser mehr liefern. „Die Unterschiede zwischen den Szenarien sind enorm – und sie könnten darüber entscheiden, ob wir die Gletscher auch für künftige Generationen erhalten oder ob die Mehrheit von Asiens Eisriesen bis zum Ende des Jahrhunderts verschwunden sein wird“, betonen Kraaijenbrink und seine Kollegen. (Nature, 2017; doi: 10.1038/nature23878)

(Nature, 14.09.2017 – NPO)

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