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Technik

Lilienthals Gleitflieger durchleuchtet

Normal-Segelapparat des Luftfahrt-Pioniers im Computertomografen

Modell von Otto Lilienthal mit einem seiner Fluggeräte. Sein Original "Normal-Segelapparat" wurde jetzt im CT durchleuchtet. © Ellywa/CC-by-sa 3.0

„Gral der Luftfahrt“ im Scanner: Lange stand der Normal-Segelapparat von Otto Lilienthal nur im Museumsdepot, jetzt soll er restauriert und künftig wieder ausgestellt werden. Dafür absolvierte der wertvolle Original-Gleiter nun eine ungewöhnliche Prozedur: Er wurde in einem Riesen-Computertomografen durchleuchtet. Die Scans enthüllten nicht nur die Schäden an der Holz- und Stoffkonstruktion, sie zeigten auch einige bisher unbekannte Konstruktionskniffe.

Mit seinem Normal-Segelapparat schuf Otto Lilienthal vor mehr als 125 Jahren die Grundlage der modernen Luftfahrt. Denn dieser Gleiter war das erste in Serie gebaute Flugzeug der Welt – und er besaß bereits erstaunlich fortgeschrittene aerodynamische Eigenschaften. „Der Apparat ist ein Wunder der Ingenieurskunst: extrem leicht gebaut und aus flexiblen Materialien gefertigt, die an den entscheidenden Stellen verstärkt wurden“, erklärt Christian Große von der TU München.

Heute existieren von Lilienthals Normal-Segelapparat weltweit nur noch vier Exemplare – eines davon im Deutschen Museum. „Es ist ein Glücksfall, dass dieser Gleiter die Zeiten in einem authentischen, wenn auch sehr fragilen Zustand überstanden hat. Er erlaubt uns daher einzigartige Einblicke in die Arbeitsweise Lilienthals“, sagt Andreas Hempfer, Luftfahrt-Kurator des Museums.

Ein Gleiter im Computertomografen

Doch das fragile Meisterwerk ist gefährdet: Zwei überstandene Weltkriege und Schädlingsbefall haben den Gleiter stark angegriffen. Deshalb ist von dem Originalgleiter derzeit nur das Gestellkreuz, das Element, in dem der Pilot hängt und an dem die Flügel befestigt sind, in der Flugwerft Schleißheim ausgestellt. Welches Ausmaß die Schäden am restlichen Fluggerät haben und wie man das Ganze am besten konserviert, war bisher jedoch unklar.

Überreste des Originals - eines der nur vier erhaltenen Normal-Segelapparate von Otto Lilienthal. © Deutsches Museum

Deshalb haben nun Große und sein Team erstmals das kostbare Original detailliert untersucht – unter anderem mit Hilfe eines speziellen, in der Flugzeugindustrie eingesetzten Computertomografen. „Mit ihr lassen sich große Objekte und verschiedene Materialien – hier haben wir es mit Holz, Textilien und metallischen Verstärkungselementen zu tun – detailliert abbilden. Die Prüfung ist zudem völlig zerstörungs- und kontaktfrei“, erklärt Große.

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Fraßlöcher, Kleber und gebogene Nägel

Die Aufnahmen enthüllten erstmals das Innenleben der Konstruktion: Sie brachten Klebungen zum Vorschein, Nägel, Lackschichten und jede Menge Fraß-Löcher von Insekten. Teilweise sind die Holzstreben des Flugapparats völlig zerfressen und werden nur noch durch die äußere Lackschicht zusammengehalten. Immerhin scheint der Zerfraß seit der letzten Bestandsaufnahme vor zehn Jahren nicht weiter fortgeschritten zu sein.

Die CT-Scans zeigten aber auch spannende Details der Konstruktion: So sind die Nägel des Gleiters gebogen und wurden so platziert, dass sie die Last verteilen – dies verstärkt die Konstruktion. „Das ist ein weiteres interessantes Detail, das wir erst durch die Computertomografie entdeckt haben“, so Große. Positiv auch: Die Stoffteile des Gleiters sind, abgesehen von der Verschmutzung, in einem relativ guten Zustand, wie die Aufnahmen ergaben.

Ergebnisse des CT-Scans am Beispiel eines umwickelten Holzteils© Michael Mosch, Airbus Helicopters/ Denis Kiefel, Testia-Airbus/ Dr. Rainer Stößel, Airbus Group Innovations

Jetzt beginnt die Konservierung

Die Ergebnisse der Untersuchungen helfen nun den Forschern und den museumseigenen Flugzeugrestauratoren dabei, die passenden Methoden zu finden, um das Fluggerät vor weiteren Schäden zu bewahren und für die Präsentation herzurichten. Denn der Normal-Segelapparat soll ab 2025 wieder in der Ausstellung des Deutschen Museums zu sehen sein.

„Entweder er zerfällt im Depot oder er zerfällt in der Ausstellung – dann wollen wir ihn doch lieber herzeigen!“, sagt Museumskurator Hempfer. „Natürlich wollen wir den Segelapparat aber mindestens für die nächsten 100 Jahre erhalten.“ Ihm schwebt vor, „einen Schuppen nachzubauen, wie ihn Lilienthal einst als Hangar auf seinem Fliegeberg hatte.“ Und nur wenn ein Besucher den Schuppen betritt, soll eine Lampe angehen und das Lilienthal-Original sichtbar machen – denn die Materialien sind extrem lichtempfindlich „Am Dach des Schuppens könnte man unseren Gleiter-Nachbau so montieren, als würde der Flugpionier gerade von dort abheben“, so Hempfer.

(Deutsches Museum/ TU München, 13.09.2017 – NPO)

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