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Medizin

Hormonersatztherapie: Besser als ihr Ruf?

Experten fordern Trendwende in der Behandlung von Wechseljahresbeschwerden

Rund 70 Prozent aller Frauen leiden während der Menopause unter Hitzewallungen. © Highwaystaz-Photography/ iStock.com

Doch nicht so gefährlich wie gedacht: Die Hormonersatztherapie zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden galt lange Zeit als risikobehaftet. Neuere Studienergebnisse deuten allerdings darauf hin, dass die Therapie besser sein könnte als ihr Ruf. Experten fordern deshalb nun ein Umdenken: Frauen mit menopausalen Beschwerden sollten wieder häufiger eine Hormonbehandlung erhalten. Um Risiken zu vermeiden, komme es vor allem auf den Zeitpunkt und die Dauer der Therapie an.

Selten sind Nutzen und Risiken medizinischer Behandlungen so umstritten wie bei der Hormonersatztherapie. Ursprünglich sollte die Behandlung Frauen die umwälzende Phase der Wechseljahre erleichtern und damit verbundene Symptome wie Hitzewallungen, Schlafstörungen, Schwindel oder Depressionen lindern. Zugleich sagten Fachleute der Hormontherapie eine schützende Wirkung etwa vor Herzkreislauferkrankungen und Knochenschwund nach.

Als das Nationale Gesundheitsinstitut der USA im Jahr 2002 die Ergebnisse der Women’s Health Initiative (WHI) veröffentlichte, geriet die Behandlung jedoch schlagartig in Verruf. Die eigentlich auf 15 Jahre angelegte Studie hatte die Auswirkungen einer Hormontherapie auf die Gesundheit von 16.000 Frauen untersucht und war nach fünf Jahren abgebrochen worden. Der Grund: In der Probandinnengruppe, die Hormone erhalten hatte, war es zu deutlich erhöhten Raten von Brustkrebs, Schlaganfall, Thrombosen und Herzinfarkten gekommen.

Hormone, zum Beispiel in Tablettenform, können Wechseljahresbeschwerden lindern - haben aber einen schlechten Ruf. © Artisteer/ iStock.com

Umstrittene Interpretation

Nach der Publikation der Studie ging die Verordnung von Hormonen deutlich zurück. Bis heute haben viele Frauen Ängste bezüglich dieser Form der Therapie. Ärzte versuchen die typischen Beschwerden der Menopause daher immer öfter mit alternativen Mitteln zu behandeln und setzen beispielsweise Antidepressiva oder Schlafmittel ein.

Längst wird jedoch auch Kritik an der Interpretation der Daten der WHI-Studie laut. Nicht bedacht wurde damals etwa, dass das Durchschnittsalter der Frauen in dieser Untersuchung mit 63 Jahren vergleichsweise hoch lag – ein entscheidender Faktor. Denn zuletzt haben Studien gezeigt, dass Nutzen und Risiken einer Hormonbehandlung altersabhängig sind und ein früher Beginn womöglich weniger gesundheitliche Risiken bedeutet.

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„Zudem waren die Teilnehmerinnen im Durchschnitt fettleibig und hatten Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes, Fettstoffwechselstörungen und erhöhten Blutdruck: Sie waren nicht gesund“, sagt Cornelia Jaursch-Hancke von der Helios Klinik in Wiesbaden.

„Effektive Behandlung vorenthalten“

Neuere Studiendaten aus Dänemark und eine Re-Evaluation der jüngeren Frauen in der WHI-Studie deuten nun darauf hin, dass die Hormonersatztherapie doch besser sein könnte als ihr Ruf. Demnach kann eine frühe Hormonbehandlung in der Menopause die Symptome nicht nur effektiv behandeln, sondern sich sogar günstig auf das Herz-Kreislauf-System und die Todesrate auswirken. Daneben scheint eine alleinige Östrogentherapie, die in der Regel aber nur Frauen erhalten, die keine Gebärmutter mehr haben, das Brustkrebsrisiko zu senken.

Experten der Deutschen Gesellschaft für Endikrinologen (DGE) fordern angesichts dieser Erkenntnisse ein Umdenken in Sachen Hormontherapie. „Millionen von Frauen wurde eine sinnvolle und höchst effektive Behandlung von menopausalen Beschwerden vorenthalten“, sagt Jaursch-Hancke. Statt die Ursache, also den Östrogenmangel, zu behandeln, sei die Therapie auf Symptomebene geblieben. Das müsse sich nun ändern.

Fünf Jahre als richtige Zeitspanne

Zwar betonen die Fachleute, dass viele Frauen die Lebensphase der Wechseljahre auch ohne Hormonbehandlung gut und zufrieden erleben und die Therapie nicht generell jeder Frau angeboten werden sollte. „Circa 20 bis 30 Prozent der Frauen haben aber tatsächlich stark den Tagesablauf beeinträchtigende Beschwerden. Diesen Frauen können wir jetzt wieder mit gutem Gewissen mit einer Hormontherapie helfen“, sagt der Vizepräsident der DGE, Sven Diederich.

Trotz aller positiven Effekte kann die Hormontherapie mit Risiken verbunden sein – das bestreiten auch die Mediziner nicht. So gebe es beispielsweise ein gering erhöhtes Thromboserisiko, das sich durch eine geeignete Applikationsform – etwa über die Haut – minimieren lasse. Wichtig sei zudem, mit dem behandelnden Arzt über die Dauer der Therapie zu sprechen: „Fünf Jahre Hormontherapie ist mit Blick auf mögliche Risiken die richtige Zeitspanne“, sagt Diederich.

„Wichtig ist auch, dass man diese Therapie dann ausschleicht und die Patientin begleitet. Sonst sind die unangenehmen Beschwerden gleich wieder da, was dann zu einer dauerhaften Fortführung motivieren kann, was wir aber aufgrund der negativeren Datenlage bei längerer Therapie und über 60-jährigen Frauen vermeiden sollten.“ Das Risiko für Brustkrebs habe neben einer erblichen Veranlagung sehr viel mit Übergewicht und Bewegungsmangel zu tun. Darauf sollten Frauen achten und zudem die regelmäßigen Früherkennungsuntersuchungen wahrnehmen, schließt der Forscher.

(Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V., 29.08.2017 – DAL)

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