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Biologie

Blicke erklären Babys die Welt

Neugeborene orientieren sich am typischen Kontrast zwischen dunkler Iris und weißem Grund

Babys orientieren sich in den ersten Lebensmonaten vor allem an Blicken - direkter Augenkontakt ist in dieser Zeit daher besonders wichtig. © Chiyo Hoshikawa/ amanaimagesRF/ iStock.com

Schau mir in die Augen: Um sich in einer Welt voller neuer Eindrücke zurechtzufinden, lassen sich Babys von den Menschen in ihrer Umgebung leiten. Dabei orientieren sie sich vor allem an den Augen ihres Gegenübers. Experimente zeigen: Wenige Monate alte Kinder schenken vorrangig jenen Dingen Aufmerksamkeit, auf die sie die Blicke Anderer lenken. Als entscheidendes Signal fungiert dabei offenbar der charakteristische Kontrast zwischen dunkler Iris und weißem Untergrund.

Neugeborene sind ständig einer Flut an neuen Eindrücken ausgesetzt. Ihr ganzes Wesen ist förmlich darauf ausgerichtet, diese Impressionen einzuordnen und so die Welt um sie herum allmählich verstehen zu lernen. Um sich zurechtzufinden, orientieren sie sich dabei sehr früh an anderen Menschen, die ihnen zeigen, was in ihrer unmittelbaren Umgebung besonders wichtig ist.

Augenpaare in Bewegung

Bisher war allerdings unklar, welche Signale die Kleinen vorrangig als Orientierungshilfe nutzen. Wissenschaftler um Christine Michel vom Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig haben das nun mithilfe einer Reihe von Experimenten herausgefunden: Offenbar sind es vor allem die Augen ihres Gegenübers, durch die sich Babys leiten lassen.

Für ihre Untersuchung luden die Forscher vier Monate alte Probanden zum Aufmerksamkeitstest ein. Die Kinder wurden vor einen Bildschirm gesetzt, von dem sie zwei Augen anstarrten – dargestellt als zwei weiße Ellipsen mit jeweils einem schwarzen Punkt in der Mitte. Während eines kleines Videos wanderte der Blick des Augenpaars zu einer Seite auf einen Stapel Bauklötze.

Die Bewegung der schwarzen Punkte scheint die Aufmerksamkeit der Babys gezielt auf Gegenstände in der Umgebung lenken zu können. © MPI CBS

Aufmerksamkeit gezielt gelenkt

Dabei zeigte sich: Die Babys folgten dem Blick aufmerksam. Eine bunte Rassel zur anderen Seite schauten die künstlichen Augen hingegen nicht an. Auch die Kleinen schenkten ihr daher scheinbar keine Aufmerksamkeit. Als jedoch beide Gegenstände nochmals auf dem Bildschirm aufflackerten, schienen die Kinder vor allem die Rassel zu fesseln. Sie war demnach neu für sie.

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„Entsprechend der sogenannten Neuheitspräferenz betrachten Babys die Dinge länger, die neu für sie sind. Hier ist es offenbar die Rassel, die vom Augenpaar und damit auch von den Babys zunächst nicht beachtet wurde“, erklärt Michel. Die Bewegung der schwarzen Punkte scheint demnach die Aufmerksamkeit der Babys gezielt auf Gegenstände in der Umgebung lenken zu können.

„Falsche“ Augen funktionieren nicht

Gelingt dies jedoch nur bei Punkten, die wie echte Augen aussehen? Um das herauszufinden, zeigten die Wissenschaftler den kleinen Studienteilnehmern erneut zwei sich bewegende Punkte, die ihren „Blick“ zur Seite richteten – diesmal jedoch weiße Kreise auf schwarzem Untergrund.

Das Ergebnis: Die Kinder schienen diesen Kreisen weniger zielgerichtet zu folgen. Als auch hier beide Spielzeuge nach kurzer Unterbrechung nochmals auftauchten, schenkten sie keinem der beiden eine höhere Aufmerksamkeit – sie schienen also mit beiden Objekten gleichermaßen vertraut. Ihre Aufmerksamkeit war demnach offenbar unabhängig von der Bewegungsrichtung der weißen Kreise zwischen beiden Gegenständen hin- und hergependelt.

Typischer Kontrast entscheidend

Für Michel und ihre Kollegen ist damit klar: Besonders wichtig für die Orientierung der Babys scheint der charakteristische Hell-Dunkel-Kontrast aus dunkler Iris auf weißem Untergrund zu sein. „Sie lernen also besonders gut von schwarzen Punkten auf weißem Untergrund, die sich bewegen und reagieren damit offenbar sensibel auf den Kontrast echter Augen“, sagt die Neurowissenschaftlerin.

Unklar sei bisher noch, ob die Fähigkeit, Augen als Signalgeber zu erkennen, angeboren ist oder die Kinder sie in den ersten Monaten erlernen. „Einige Wissenschaftler gehen davon aus, dass es von Geburt an eine Art Modul im Gehirn gibt, das genau auf die Blickrichtung anderer Leute anspringt“, so Michel. Andere glaubten wiederum, dass die Fähigkeit Blicken zu folgen, erst gelernt werden muss. Welche Theorie richtig ist, sollen dem Team zufolge nun weitere Studien zeigen.

„Direkter Blickkontakt ist wichtig“

Eines sei jedoch bereits sicher: „Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig gerade in den ersten Monaten der direkte Blickkontakt im Umgang mit Babys ist. Schaut man sie bewusst an, bevor man ihnen etwas zeigt, kann man gezielt ihre Aufmerksamkeit darauf lenken“, erklärt Michels Kollegin Stefanie Hoehl. „Andere Wege hingegen, mit denen wir sie auf Dinge hinweisen können, verstehen Kinder erst deutlich später.“

So können die Kleinen etwa erst gegen Ende des ersten Lebensjahres dem Hinweis folgen, wenn ein anderer auf einen Gegenstand zeigt – anstatt auf ihn zu blicken. (Scientific Reports, 2017; doi: 10.1038/s41598-017-07445-9)

(Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, 09.08.2017 – DAL)

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