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Physik

Physiker erzeugen schnellste Wirbel des Universums

Quark-Gluon-Plasma hat größte Wirbelstärke alle bekannten Fluide

Das Quark-Gluon-Plasma ist nicht nur die flkssigste Flüssigkeit des Kosmos, sie kann auch schneller rotieren als alles andere. Hier eine schemaatische Darstellung des Plasmas bei einer Bleikollision im LHC. © CERN

Neuer Rekord für die kosmische Ursuppe: Das Quark-Gluon-Plasma ist nicht nur die flüssigste Flüssigkeit des Universums, es rotiert auch schneller als alle bekannten Medien. Kollisionen in Teilchenbeschleunigern enthüllen, dass dieses kurzlebige und extrem heiße Plasma sich zehn Trilliarden Mal in der Sekunde drehen kann – eine solche Wirbelstärke wurde noch bei keinem anderen Fluid gemessen, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.

Das Quark-Gluon-Plasma war gewissermaßen die „Ursuppe“ des Kosmos: Wenige Millionstel Sekunden nach dem Urknall bewegten sich in ihm Quarks und Gluonen noch frei umher. Erst als das Universum abkühlte, lagerten sie sich zu Protonen, Neutronen und anderen Materiebausteinen zusammen. In Teilchenbeschleunigern wie dem Large Hadron Collider (LHC) am CERN oder dem Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC) in Brookhaven lässt sich diese kosmische Ursuppe für wenige Sekundenbruchteile auch heute noch erzeugen.

Das Quark-Gluon-Plasma entpuppt sich dabei zunehmend als ziemlich exotisch – und ziemlich rekordverdächtig. So enthüllten die Teilchenkollisionen bereits, dass dieses Urknallplasma die flüssigste Flüssigkeit des Universums ist: In ihr gibt es keine Reibung und ihre Viskosität liegt möglicherweise sogar unter der bisher angenommenen absoluten Untergrenze.

Miniwirbel im Teilchenbeschleuniger

Einen weiteren Rekord des Quark-Gluon-Plasmas haben nun Physiker am STAR-Detektor des RHIC aufgedeckt. Für ihr Experiment haben sie Goldkerne auf 99 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und kollidieren lassen. „Bei den meisten dieser Kollisionen treffen die Teilchen nicht frontal aufeinander, sondern seitlich“, erklären die Forscher. Dadurch bekommt das entstehende Plasma einen Drehimpuls.

Doch wie schnell kann die „perfekte Flüssigkeit“ rotieren? Um die Wirbelstärke des Quark-Gluon-Plasma zu ermitteln, analysierten die Physiker die Polarisierung bestimmter Zerfallsprodukte im STAR-Detektor. „Wir schauen dabei spezifisch nach sogenannten Lambda Hyperons – rotierenden Teilchen, die in ein Proton und ein Pion zerfallen“, erklärt Ernst Sichtermann von der STAR-Kollaboration.

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Der Zerfall des Lamda Hyperons in ein Proton und ein Pion verrät die Rotation des Quark-Gluon-Plasmas © Brookhaven National Laboratory

Schneller als alles andere

Das Ergebnis: Einmal angestoßen, rotiert das Quark-Gluon-Plasma zehn Trilliarden Mal in der Sekunde. Dies schneller als bei jeder anderen bekannten Flüssigkeit. „Dies übertrifft bei weitem die Wirbelstärke aller Fluide – von rotierenden Tornadozentren über den Großen Roten Fleck des Jupiter bis zu Wirbeln in superfluidem Helium“, erklären die Forscher.

Damit hat das Quark-Gluon-Plasma einen weiteren Rekord aufgestellt. „Die perfekteste Flüssigkeit mit der kleinsten Viskosität hat damit auch die größte Wirbelstärke“, sagt Michael Lisa von der Ohio State University. Die Vortizität des Quark-Gluon-Plasmas übertrifft sogar die theoretisch vorhergesagten Werte deutlich.

Wirbel ohne Bremse

Skurriler Nebeneffekt: Weil das Quark-Gluon-Plasma keine innere Reibung besitzt, wird seine Rotation nicht abgebremst. „Wenn man es einmal in Drehung versetzt, rotiert es immer weiter“, so Lisa. „Seine geringe Viskosität erlaubt es den Wirbeln, erhalten zu bleiben.“

Spannend sind die neuen Erkenntnisse deshalb, weil das Verhalten und die Merkmale des Quark-Gluon-Plasmas Informationen über die Entstehung der ersten Materie nach dem Urknall liefern – und damit auch zu den Prozessen, die das Universum erst zu dem machten, was es heute ist. (Nature, 2017; doi: 10.1038/nature23004)

(Brookhaven National Laboratory, 04.08.2017 – NPO)

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