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Archäologie

Eine Lunchbox aus der Bronzezeit

Alpengletscher konservierte 4.000 Jahre alte Brotbüchse mit Getreideresten

Die hölzerne Proviantdose am Fundort auf dem Lötschenpass - sie erwies sich als 4.000 Jahre alt. © University of York

4.000 Jahre lang eingefroren: In den Berner Alpen haben Archäologen eine hölzerne Proviantdose aus der Bronzezeit entdeckt. Die Dose war jahrtausendelang vom Gletscher eingeschlossen und wurde erst jetzt durch das schmelzende Eis wieder freigegeben. Spannend daran: In ihrem Inneren sind Getreidekörner von Gerste, Dinkel und Emmer erhalten. Sie verraten damit, was die Menschen dieser Region damals als Proviant mit auf ihre Wanderungen nahmen.

Wenn Archäologen wissen wollen, wie unsere Vorfahren in der Bronzezeit lebten, sind sie meist auf Gräber und Grabbeigaben aus jeder Zeit angewiesen. Diese jedoch spiegeln nur teilweise den Alltag dieser Menschen wieder. Anders ist dies bei Funden wie der Gletschermumie „Ötzi“: Ötzi blieb mitsamt seiner Kleidung und Ausrüstung im Eis konserviert – und hat damit ganz neue Einblicke in sein Leben und seine Zeit geliefert.

Fund am tauenden Gletscher

Weil die Alpengletscher durch den Klimawandel immer weiter abtauen, gibt ihr Eis inzwischen häufiger prähistorische Funde frei – für die Archäologen ein echter Glücksfall. Einem solchen verdanken sie auch ihren neuesten Fund: 2012 gab das Eis nahe dem Lötschenpass, auf 2.690 Metern Höhe in den Berner Alpen gelegen, ein außergewöhnliches Holzgefäß frei.

Die runde Dose misst etwa 20 Zentimeter im Durchmesser. Der Boden besteht aus Zirbenholz, der gebogene Rand ist aus Weidenholz gefertigt, beides wurde mit einer Naht aus gespleißten Lärchenzweigen verbunden. Eine Radiokarbondatierung ergab, dass das Gefäß rund 4.000 Jahre alt ist, also aus der frühen Bronzezeit stammt.

Auf dem Boden der Holzbox wurden Reste von Getreide entdeckt (dunkler Fleck in der Mitte). © Archäologischer Dienst des Kantons Bern/ Badri Redha

Getreide statt Milchbrei

Aber wozu diente diese Dose? Einen ersten Hinweis gab die mikroskopische Untersuchung es Deckels: An ihm klebten winzige Reste von Getreidekörnern: Neben Gerste stammten sie von Dinkel und Emmer. Wie die Archäologen erklären, ist dies überraschend, weil in den Alpen damals vor allem Viehhirten und Jäger lebten. Sie hätten daher eher Reste von Milchprodukten oder Milchbrei als Proviant erwartet.

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„Doch wir haben keine Spuren von Milch gefunden“, berichtet André Colonese von der University of York. „Stattdessen fanden wir phenolische Lipide – Substanzen, die in Weizen- und Roggenkleie reichlich vorhanden sind.“ Es sei das erste Mal, dass diese Biomarker in einem archäologischen Artefakt entdeckt worden sind. Sie sprechen dafür, dass der Besitzer dieser Lunchbox Vollkorngetreide oder sogar etwas Brotähnliches in ihr aufbewahrte.

Wer hinterließ diese Proviantdose auf dem 2.700 Meter hohen Lötschenpass? © Archäologischer Dienst des Kantons Bern/ Marcel Cornelissen

Händler, Hirte oder Jäger?

Wer hat diese Lunchbox verloren? Archäologische Funde deuten darauf hin, dass einige Alpentäler dieser Gegend schon während der Bronzezeit besiedelt waren und dass die Menschen auch über die Bergpässe hinweg Handel trieben. Der Lötschenpass war möglicherweise Teil einer solchen Handelsroute zwischen dem Berner Oberland und dem Wallis. Die Proviantdose könnte daher von einem Händler stammen, so die Archäologen.

Denkbar wäre aber auch, dass ein Hirte oder ein Jäger diese Proviantdose verloren hat. Und Ötzis Kleidung und Ausrüstung belegen, dass die Alpenbewohner schon in der Kupferzeit sowohl Vieh hielten als auch Wildtiere jagten. Vor rund 3.000 Jahren gab es in den Alpen sogar schon eine Almwirtschaft, bei der Kühe, Schafe und Ziegen im Sommer auf Hochweiden getrieben wurden. Selbst Bergkäse stellten die Menschen damals schon her, wie Funde belegen.

„Auf jeden Fall wirft die Entdeckung neues Licht auf das Leben in den prähistorischen Gemeinschaften innerhalb der Alpenregion“, sagt Francesco Carrer von der University of Newcastle. „Die Leute haben auf ihrem Weg über die Berge Proviant mitgenommen, wie heutige Wanderer auch. Unsere Forschung trägt dazu bei, zu verstehen, welche Lebensmittel sie dafür nutzten.“ (Scientific Reports, 2017; doi: 10.1038/s41598-017-06390-x)

(University of York, Max-Planck-Gesellschaft, 27.07.2017 – NPO)

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