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Paläontologie

Urzeitkäfer ist erstaunlich modern

300 Millionen Jahre altes Fossil belegt frühe Entfaltung der Insektengruppe

Der Käfer Ponomarenkia belmonthensis lebte vor 300 Millionen Jahren - war aber dafür erstaunlich modern. © Evgeny V. Yan/ FSU Jena

Ein winziger Käfer erstaunt die Paläontologen. Denn das Insektenfossil ist schon 300 Millionen Jahre alt und gehört damit zu den ältesten bisher bekannten Urzeit-Käfern. Überraschend jedoch: Trotz dieses hohen Alters besitzt der kleine Käfer erstaunlich moderne Merkmale – und passt in keine der bekannten Käferfamilien. Seine Existenz wirft damit ein völlig neues Licht auf die früheste Entfaltung in dieser Insektengruppe.

Käfer sind eine extrem erfolgreiche Erfindung der Evolution. Fast ein Drittel aller bekannten Organismen gehören zu dieser Insektengruppe. Kein Wunder, besitzen viele Käfer doch geniale Anpassungen und Hilfsmittel – von „klebrigen“ Füßen, mit denen sie an der Decke laufe können über Feuersensoren bis hin zu chemischen Abwehrkeulen, die inzwischen sogar für menschliche Technik kopiert werden.

Erste frühe Käfer gab es zwar schon vor mehr als 250 Millionen Jahren im Perm, diese galten aber bisher als eher primitiv: „Die bisher bekannten Fossilien waren ‚altertümlichen‘ Käfern zuzuordnen, die sich unter der Rinde von Nadelbäumen aufgehalten haben“, erklärt Rolf Beutel von der Universität Jena. „Sie weisen eine ganze Reihe ursprünglicher Merkmale auf, etwa noch nicht vollständig verhärtete Deckflügel oder eine dicht mit kleinen Höckern besetzte Körperoberfläche.“

Überraschend moderne Merkmale

Jetzt jedoch haben Beutel und seine Kollegen eine fossile Käferart entdeckt und rekonstruiert, die nicht in dieses Schema nicht passt. Die in einem ehemaligen Sumpfgebiet im australischen Belmont gefundenen Fossilien sind bereits 300 Millionen Jahre alt. Doch trotz dieses hohen Alters weisen die Käfer erstaunlich „moderne“ Merkmale auf, wie aufwändige Rekonstruktionen der Fossilien mithilfe von 3D-Modellen ergaben.

3D-Rekonstruktion des fossilen Käfers © Evgeny V. Yan/ FSU Jena

Neuartige Merkmale sind unter anderem die perlschnurartigen Antennen, Antennengruben und der ungewöhnlich schmale, spitz zulaufende Hinterleib. Im Gegensatz zu bislang bekannten Käfern des Perm sind die Deckflügel zudem schon durchgehend verhärtet, die Körperoberfläche ist weitgehend glatt und die für die Fortbewegung zuständigen Brustsegmente weisen moderne Merkmale auf.

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Exponierte Lebensweise

„Die 3D-Rekonstruktion erlaubt auch Rückschlüsse auf die Fortbewegung und Lebensweise der Käfer“, erklärt Beutels Kollege Evgeny Yan. Sie enthüllt, dass der kleine Käfer nicht mehr sein Leben unter der Rinde von Bäumen verbachte, wie die meisten seiner Zeitgenossen. Stattdessen hielt er sich auf der Oberfläche von Pflanzen auf und hatte damit bereits eine deutlich exponiertere Lebensweise als die bisher bekannten Käfer aus dieser Zeit.

Durch seine einzigartige Mischung aus alten und neuen Merkmalen passt der neuentdeckte Urzeit-Käfer in keine der bisher bekannten Großgruppen der Käfer. Die Forscher schufen daher eigens für ihn eine eigene, neue Familie, die Ponomarenkiidae.

Vielfalt schon vor dem großen Massenaussterben

Spannend auch: Die Existenz dieses bereits so modernen Käfers vor 300 Millionen Jahren belegt, dass es schon damals eine größere Käfervielfalt gegeben haben muss als bisher gedacht. „Die ersten wesentlichen Aufspaltungs-Ereignisse in der Evolution der Käfer müssen demnach schon vor dem Massenaussterben am Ende des Perm stattgefunden haben“, erklärt Beutel. Dieses Massenaussterben ließ vor rund 250 Millionen Jahren 70 Prozent aller Landtiere und 95 aller Lebewesen im Wasser aussterben.

Die Käfer als Ganzes haben diese Katastrophe jedoch wesentlich besser überstanden als die meisten anderen Organismengruppen – vermutlich durch das Leben an Land und das verstärkte Außenskelett. Doch ausgerechnet der schon so moderne Ponomarenkia belmonthensis hatte kein Glück: Nach Ende des Perm gibt es von ihm keine fossilen Spuren mehr. (Journal of Systematic Palaeontology, 2017; doi: 10.1080/14772019.2017.1343259)

(Friedrich-Schiller-Universität Jena, 24.07.2017 – NPO)

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