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Materialforschung

Tauchgang in einen Magneten

Forscher machen erstmals interne Magnet-Strukturen sichtbar

Ineinander verschlungene magnetische Strukturen in einem kleinen Gadolinium-Kobalt-Magnet © Paul Scherrer Institut/ Claire Donnelly

Spannender Einblick: Zum erstem Mal ist es Forschern gelungen, die internen Strukturen eines Magneten sichtbar zu machen. Eine spezielle Röntgentechnik enthüllte winzige magnetische Wirbel und ein komplexes Muster der magnetischen Momente. Erstmals wiesen die Wissenschaftler zudem eine seit gut 60 Jahren nur theoretisch postulierte Struktur nach: magnetische Singularitäten in Form sogenannter Bloch-Punkte.

Magnete spielen für die moderne Technik eine wichtige Rolle. Sie stecken in Festplatten, Stromgeneratoren, aber auch in vielen anderen Elektronikbauteilen. Umso wichtiger ist es zu verstehen, wie sich die magnetischen Momente in einem ferromagnetischen Material verhalten und wie sie angeordnet sind. Dieser Einblick in die Magnetstruktur ist Forschern bisher allerdings nur bei dünnen Magnetfilmen oder an der Oberfläche magnetischer Materialien gelungen.

Was im Inneren eines dreidimensionalen Magneten vor sich geht, blieb verborgen – bis jetzt. Denn Claire Donnelly von der ETH Zürich und ihren Kollegen ist genau dieser Einblick nun gelungen. Für ihr Experiment unterzogen sie einen wenige Mikrometer große Säulenmagneten aus Gadolinium-Kobalt einer Art Nanotomografie. Dabei setzten sie den Magneten der harten Röntgenstrahlung eines Synchrotrons aus und werteten die Aufnahmen mit einer eigens dafür entwickelten Software aus.

Mini-Tornados und verschlungene Strukturen

Die Auswertung enthüllt erstmals die komplexen Muster der magnetischen Momente im Magnet: „Mit unseren Bildern können wir richtiggehend in das magnetische Material eintauchen: Wir sehen und verstehen die dreidimensionale Anordnung der winzigen magnetischen Kompassnadeln“, erklärt Koautorin Laura Heyderman von der ETH Zürich. Bis auf rund 100 Nanometer genau wurden die komplexen magnetischen Muster sichtbar.

Zu erkennen waren ineinander verschlungene Strukturen, die von Regionen gleicher magnetischer Ausrichtung und den wandartigen Grenzen zwischen ihnen gebildet wurden. Die Forscher beobachteten zudem magnetische Wirbel, deren Form derjenigen eines Tornados gleicht. „Diese grundlegenden, bekannten Strukturen zu sehen, wie sie sich zu einem komplexen dreidimensionalen Netzwerk zusammenfügen, war wirklich schön und eindrucksvoll“, sagt Donnelly.

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Magnetisierung in einem Bloch-Punkt: Die "Magnetnadeln" zeigen in alle Richtungen. © Paul Scherrer Institut/ Claire Donnelly

Singularität der Magnetisierung

Besonders spannend: Eine dieser Strukturen war zwar schon seit rund 60 Jahren theoretisch postuliert, wurde aber bisher noch nie direkt beobachtet, wie die Forscher erklären. Es handelt sich dabei um ein Paar magnetischer Singularitäten, sogenannte Bloch-Punkte. Diese enthalten einen unendlich kleinen Bereich, in dem die magnetischen Momente ihre Richtung schlagartig ändern.

„Bei den Ferromagneten kann die Magnetisierung üblicherweise als stetig angesehen werden, das heißt, auf der Nanometerskala gibt es keine plötzlichen Änderungen. An diesen Singularitäten dagegen gilt genau das nicht mehr“, erklärt Koautor Sebastian Gliga von der University of Glasgow. An diesen Bloch-Punkten zeigt die Magnetisierung in alle Richtungen – ähnlich den Stacheln eines aufgerollten Igels.

Auch praktischer Nutzen

Die Nanotomografie belegt nun, dass es diese 1965 postulierten Singularitäten tatsächlich gibt. Zusätzlich entdeckten die Forscher sogar eine Art Anti-Bloch-Punkt in dem Gadolinium-Kobalt-Magneten. „Das ist ein Durchbruch in der magnetischen Bildgebung“, sagt Gliga. „Ich war begeistert, an diesem Fortschritt im Verständnis der magnetischen Strukturen mitwirken zu können.“

Die neue Methode und die mit ihr gewonnen Erkenntnisse haben jedoch auch ganz praktischen Nutzen: Mit ihrer Hilfe könnten beispielsweise effektivere, maßgeschneiderte Magnete für technische Anwendungen entwickelt werden. (Nature, 2017; doi: 10.1038/nature23006)

(Paul Scherrer Institut (PSI), 26.07.2017 – NPO)

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