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Biologie

Erste „Tempoformel“ für tierische Sprinter

Warum die schnellsten Tiere nicht die größten sind

Der Gepard ist der schnellste Laufer im Tierreich - obwohl es Tiere mit viel längeren Beinen und mehr Muskeln gibt. © Saddako/ iStock.com

Eine Formel für alle: Warum sind die größten Tiere nicht auch die schnellsten? Auf diese Frage könnten Forscher nun eine allgemeingültige Antwort gefunden haben. Demnach kommt es darauf an, wie schnell die Muskeln das Tier auf Touren bringen können. Ist es zu schwer, sind die Energievorräte erschöpft, bevor das Maximaltempo erreicht wird. Eine einfache Formel beschreibt dies und ermöglicht so, das Maximaltempo verschiedenster Tiere auszurechnen – egal ob sie fliegen, schwimmen oder laufen.

Eine Spinne oder ein Käfer kommen langsamer voran als eine Maus oder gar ein Pferd. Das erscheint logisch, denn mit ihren viel längeren Beinen können die größeren Tiere bei jedem Schritt einfach mehr Strecke zurücklegen als die Winzlinge. Doch dieser einfache Zusammenhang „größer = schneller“ stimmt nur bis zu einer gewissen Grenze: Elefanten sind langsamer als Antilopen oder gar Geparden.

Erklärungen gesucht

Als Folge hat die Tempokurve der Tierwelt eine Buckelform: Zunächst nimmt die Maximalgeschwindigkeit zwar mit der Körpergröße zu, dann aber knickt sie wieder nach unten ab. „Wissenschaftler haben sich schon immer darüber gewundert, dass die größten Tiere nicht die schnellsten sind“, erklären Myriam Hirt vom Zentrum für integrierte Biodiversitätsforschung in Leipzig und ihre Kollegen.

Aber warum? Innerhalb einzelner Tiergruppen haben Forscher dies mit verschiedenen biomechanischen Gesetzmäßigkeiten zu erklären versucht. So sind bei einigen Arten schlicht die Muskeln und Knochen zu schwach, um den Kräften eines schnelleren Laufens standzuhalten. „Aber ein generelles Modell, das die Fortbewegungsgeschwindigkeit über alle taxonomischen Gruppen und Ökosysteme hinweg erklärt, fehlte bisher“, so die Wissenschaftler.

Setzt man Tempo und Körpergewicht ins Verhältnis, ergibt sich eine abgeknickte Kurve © Myriam Hirt

Zeit und Muskelmasse entscheidend

Diese Lücke könnten Hirt und ihre Kollegen nun geschlossen haben. Ihr Modell geht davon aus, dass der limitierende Faktor die Muskelarbeit während der Beschleunigungsphase ist. Die dabei aktiven schnellen Muskelfasern können in kurzer Zeit viel chemische Energie in Bewegung umsetzen. Aber ihr Energievorrat ist auch schnell aufgebraucht.

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Und genau hier liegt die Begrenzung: Größere Tiere haben zwar mehr schnelle Muskelfasern und können daher ein höheres Tempo erreichen. Deshalb nimmt ihre Maximalgeschwindigkeit zunächst mit der Körpergröße zu. Doch ab einem bestimmten Körpergewicht benötigen die Muskeln zu lange, um die Masse auf Touren zu bringen. Dadurch ist die Energie verbraucht, bevor die theoretisch mögliche Maximalgeschwindigkeit erreicht ist, wie Hirt und ihre Kollegen erklären.

Eine Formel für alle

Auf Basis dieses Zusammenhangs haben die Forscher eine simple Formel entwickelt, mit der sich die Maximalgeschwindigkeit eines Tieres ausrechnen lässt – egal ob es schwimmt, läuft oder fliegt. Ob diese „Tempoformel“ funktioniert, testeten sie an 474 Tierarten – von winzigen Insekten von gerade einmal 30 Mikrogramm Gewicht bis hin zum 100 Tonnen schweren Blauwal.

Und tatsächlich: Die mit dem Modell errechnete Maximalgeschwindigkeit dieser Arten stimmte ziemlich gut mit dem in der Natur beobachteten Tempo überein. Auch die Kurven von Körpergewicht und Geschwindigkeit zeigten jeweils innerhalb der fliegenden, schwimmenden oder laufenden Tiere die typische Buckelform.

Die Formel erlaubt es auch, das Maximaltempo veschiedener Dinosaurierarten abzuschätzen. © Myriam Hirt

Funktioniert sogar bei Dinosauriern

„Unser Ansatz kann daher als einfaches Werkzeug dienen, um die natürlichen Grenzen der tierischen Fortbewegung vorherzusagen“, konstatieren Hirt und ihre Kollegen. Mit der neuen Formel könnte man sogar das Lauftempo ausgestorbener Tierarten ermitteln, wie weitere Tests ergaben. Dabei wendeten die Forscher ihre Formel auf Dinosaurier wie den Tyrannosaurus rex, den Brachiosaurus oder die Velociraptoren an.

Für den T. rex kamen sie dabei auf Lauftempo von rund 27 Kilometern pro Stunde, für den wendigen kleinen Velociraptor dagegen auf fast das Doppelte: Der zweibeinig laufende Raubdinosaurier könnte mit 54 Stundenkilometern hinter seiner Beute hergerannt sein. „Das passt zu Theorien, nach denen der Tyrannosaurus wahrscheinlich eher ein langsamer Läufer war“, so die Wissenschaftler. Nach diesen konnte der T.rex zwar knapp schneller laufen als ein Mensch, aber viel langsamer als kleinere Raubdinosaurier seiner Zeit. (Nature Ecology and Evolution, 2017; doi: 10.1038/s41559-017-0241-4)

(Nature, 18.07.2017 – NPO)

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